VDI 2035, Teil 1

Die drei „S“ des Heizungswassers – Sauerstoff, Salzgehalt, Säuregehalt

Mit der Neuerscheinung der VDI 2035, Blatt 1 im März 2021 wird die Sauerstoffkorrosion stark thematisiert. Sie ist die häufigste Ursache für Korrosionsschäden und Schlammbildung in Heizungsanlagen, insbesondere bei zunehmender elektrischer Leitfähigkeit des Heizungswassers.

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1a – Vergleich von Wasserproben: llinke Probe nahezu makellos mit leichtem Magnetit, die rechte deutet auf einen ablaufenden Korrosionsprozess hin. Bild: Elysator AG & GmbH
1a – Vergleich von Wasserproben: llinke Probe nahezu makellos mit leichtem Magnetit, die rechte deutet auf einen ablaufenden Korrosionsprozess hin. Bild: Elysator AG & GmbH

Die neue VDI 2035 ist ein gelungenes Regelwerk und bietet Planer:innen, Betreiber:innen und Installateur:innen den Leitfaden für einen sicheren Betrieb von geschlossenen Heizsystemen bis 100 °C Vorlauftemperatur. Bezweckt wird damit hauptsächlich der Schutz moderner Bauteile vor Ablagerungen und wasserseitiger Korrosion.

Die Richtlinie unterscheidet noch immer zwischen salzhaltiger (bis 1.500 µs/cm) und salzarmer (< 100 µs/cm) Fahrweise; gemeint ist die elektrische Leitfähigkeit des Wärmeträgermediums. Die VDI 2035 gibt eine eindeutige Empfehlung zur salzarmen Fahrweise, denn dabei werden Kalk und gelöste Feststoffe gleichermaßen entfernt (Entsalzung).

Kohlensäure und pH-Wert des Wassers

Von den Luftgasen, die das Wasser aus der Atmosphäre aufnimmt, wirkt das Kohlendioxid unter Bildung von Kohlensäure sauer. Trotzdem ist Trinkwasser aus dem Hahn in der Regel pH-Wert-neutral, weil die darin gelösten Mineralien die Wirkung der freien, gelösten Kohlensäure puffern. Man spricht vom Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht. Chemisch kundige Fachleute geben immer wieder zu bedenken, dass vollentsalztes Wasser durch die fehlende Pufferung und die vorhandene Kohlensäure einen niedrigen pH-Wert aufweist und somit als „korrosive“ Flüssigkeit zu betrachten ist. Dieser Aussage ist gegenüberzustellen, dass gerade in einem Heizungssystem besondere Umstände vorliegen. Diese führen normalerweise dazu, dass sich der pH-Wert selbstständig in den alkalischen Bereich bewegt; die VDI Richtlinie 2035 spricht hier von der „Eigenalkalisierung“. Dieser anfänglichen, elektrochemischen Reaktion und dem Ausgasen von Kohlensäure beim Aufheizen ist es wohl zu verdanken, dass die VDI-Richtlinie eine pH-Wert-Anhebung i.d.R. als nicht notwendig beschreibt. Der pH-Wert soll sich zwischen 8,2 – 10,0 einstellen, wenn wasserberührtes Aluminium verbaut ist, im Bereich 8,2 – 9,0. Bei Verwendung von Aluminiumbauteilen wird von einer Enthärtung des Füllwassers abgeraten, da infolge des eingetauschten Natriums, speziell in Hartwassergebieten, der pH-Wert ungünstig stark ansteigen kann. Zudem bleibt die elektrische Leitfähigkeit unverändert hoch. Es wäre auch ein pH-Wert ab 7,5 bereits tolerierbar, wenn die Leitfähigkeit deutlich unter 100 µs/cm liegt, eine offene Wasserprobe auch nach 5 min klar ist und sich keine sedimentierenden Flocken infolge des höheren Sauerstoffeintrags bilden (rötliche Eisenablagerungen) (Bilder 1a–c). Dies bedingt jedoch eine Entsalzung des Umlaufwassers.

In der Praxis lassen sich diese Sollwerte auch bei entsalztem Wasser meist ohne weiteres Zutun durch eine einfache, selbst durchführbare Wasseranalyse belegen. Allerdings müssen bei der Heizungsinstallation gewisse Bedingungen beachtet werden, damit die „natürlichen“ chemischen Reaktionen im Heizungswasser den gewünschten Effekt erzielen.

Sauerstoff: Die Heizung als geschlossenes Wassersystem

Im Heizungswasser herrschen andere chemische und physikalische Umstände als dies in einem offenen Wassersystem der Fall ist. Neben Druck und Temperatur liegt der ausschlaggebende Unterschied darin, dass kein Kontakt des Heizungswassers zur Atmosphäre besteht. Aggressive Luftgase wie Sauerstoff und Kohlensäure werden einmalig eingebracht, bauen sich dann aber rasch ab und belasten später das Wasser und die umgebenden Materialien nicht mehr. Dies gilt zumindest für alle korrosionstechnisch geschlossenen Anlagen, in denen sich ein Sauerstoffgehalt von etwa 0,02 mg/l einstellt. Dazu gehören alte, schwarzstahlgeschweißte Ausführungen. Für Systeme mit nicht diffusionsdichten Kunststoffrohren oder Pressverbindungen dringt durch den Partialdruck permanent Luftsauerstoff in eine Heizungsanlage ein. Vor allem bei der Nachtabsenkung der Temperatur und ungenügend ausgelegtem, oder schadhaftem MAG. Ein permanenter Sauerstoffgehalt von < 0,1 mg/l gilt als akzeptabel. Es ist nur sehr schwierig, den Sauerstoffgehalt verbindlich zu bestimmen, da er nur im Bereich der Messstelle im System wirklich repräsentativ ist. Eine Momentaufnahme sozusagen. Es gibt jedoch besondere Schutzverfahren (z. B. Opferanoden) oder andere Maßnahmen, die dem permanenten Sauerstoffeintrag entgegenwirken und zudem den pH-Wert in den günstigen alkalischen Bereich anheben.

Salzgehalt (elektrische Leitfähigkeit): CO2 entfernen

Im geschlossenen Heizungskreislauf tragen zwei Hauptfaktoren zur Entfernung der sauren Kohlenstoffdioxide bei: die erwünschte, thermische Ausgasung bei der Erhitzung und der unerwünschte Abbau der Kohlensäure durch Korrosion am Stahlwerkstoff. Da moderne Heizungssysteme vermehrt einen größeren Wasserinhalt durch Pufferspeicher enthalten und tiefere Betriebstemperaturen aufweisen, verliert die thermische Entgasung leider an Bedeutung. Dementsprechend findet die Entgasung zu großen Teilen über eine anfänglich ablaufende Korrosion statt. Dieser Vorgang ist zwar zeitlich begrenzt, doch die so entstehenden Eisenkarbonat- und Eisenoxidschlämme können rasch zur Beeinträchtigung von Funktion und Wirkungsgrad einer neuen Heizungsanlage führen. Magnetitschlämme werden gebildet.

Es ist deshalb von großer Bedeutung, bereits bei der Füllung eines Heizungssystems möglichst wenig CO2 mit dem Heizungswasser in das System einzuleiten. Dies kann mit einem günstigen Mischungsverhältnis (40/60 %) von Kationen zu Anionentauscher bei der Entsalzung erfolgen (Bild 3). Aber gerade bei der Vollentsalzung gibt es in der Zusammensetzung des Ionentauscherharzes erhebliche Qualitätsunterschiede auf dem Markt. Ionentauscherharze mit einem geringen Anteil an Anionenharz sind günstig im Einkauf und haben eine scheinbar hohe Kapazität bei der Entsalzung. Doch im Einsatz reichern sie das Wasser ab einem gewissen Zeitpunkt mit Kohlensäure an. Das bedeutet, an Stelle der verlangten Vollentsalzung findet so eine Teilentsalzung unter gleichzeitiger Bildung von Säure statt (Entkarbonisierung).

Die Qualität und Zusammensetzung des bei der Vollentsalzung verwendeten Ionentauscherharzes hat also ganz maßgeblichen Einfluss darauf, ob eine Heizungsanlage bereits zu Beginn mit Korrosionen belastet wird oder nicht.

Säure (ph-Wert): Die Eigenalkalisierung

Aus Gründen des Korrosionsschutzes soll Heizungswasser einen pH-Wert im leicht alkalischen Bereich 8,2 – 10,0 aufweisen. Es stellt sich nun die Frage, ob dafür nach der Vollentsalzung weitere Wasserbehandlungsmaßnahmen notwendig sind. Die neue VDI Richtlinie 2035, Blatt 1, sagt dazu folgendes: „Ein zu niedriger pH-Wert des Füll- und Ergänzungswassers ist nicht repräsentativ für den sich im Betrieb einstellenden pH-Wert des Heizwassers. Da infolge der Eigenalkalisierung der pH-Wert des Heizwassers in der Regel innerhalb weniger Wochen Betriebszeit ansteigt, ist bei zu niedrigen pH-Werten eine Alkalisierung des Füll- und Ergänzungswassers nicht erforderlich.“

Die Eigenalkalisierung kommt dadurch zustande, dass Eisen bei Berührung mit Wasser unter Bildung von alkalischem Eisenhydroxid in Lösung geht. Durch die Produktion des Eisenhydroxids im Heizungswasser erhöht sich der pH-Wert soweit, bis dafür eine Sättigungskonzentration erreicht ist. Er pendelt sich normalerweise automatisch im geforderten unteren Bereich zwischen pH 8,2 – 10,0 ein.

Die Eigenalkalisierung läuft besonders rasch ab, wenn das Füllwasser fachgerecht vollentsalzt und nicht infolge eines ungünstigen Mischungsverhältnisses des Ionentauscherharzes noch mit Kohlensäure belastet wurde. Denn vollentsalztes Wasser ist frei von allen anderen gelösten Stoffen, die die Eigenalkalisierung puffern, bzw. behindern könnten. Ein zusätzliches unmittelbares Aufheizen auf max. Betriebstemperatur unterstützt diesen Prozess.


pH-Nachkontrolle

Laut VDI 2035, Teil 1 ist eine Kontrolle des pH-Werts frühestens nach zehn Wochen sinnvoll, spätestens jedoch im Rahmen der nächsten jährlichen Wartung empfohlen. Es soll belegt werden, ob die Eigenalkalisierung wie erwartet nach einigen Betriebsmonaten eingetreten ist. Bei ausbleibender Eigenalkalisierung stehen Heizungsfachleuten verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass gewisse Additive die Bildung von Biofilmen begünstigen und bei einer Überdosierung die Gefahr einer Aufsalzung besteht. Zur weitgehend selbstregulierten Alkalisierung eignen sich Korrosionsschutzanlagen mit Opferanoden. Da hier der Wirkstoff in Form einer Anode als Depot vorliegt (Bild 2), wird er nur „bei Bedarf“ abgegeben und der Salzgehalt des Wassers wird auf diese Weise kaum angehoben.

Zusammenfassung

Für den Korrosionsschutz in Heizungssystemen ist ein salzarmes und leicht alkalisches Umlaufwasser gefordert. Wird das Wasser bei der Heizungsbefüllung durch den Einsatz eines ausgewogenen Mischbettharzes (Anionenüberschuss) vollentsalzt, so zeigt die Erfahrung, dass in der Regel auf eine zusätzliche Alkalisierung verzichtet werden kann. Die Eigenalkalisierung des unbelasteten Umlaufwassers tritt innerhalb weniger Wochen Betriebszeit ein. Die analytische Nachkontrolle des pH-Werts ist hingegen nötig, jedoch frühestens nach zehn Wochen und spätestens bei der nächsten Wartung der Heizungsanlage. Bei ausbleibender Eigenalkalisierung, das wären pH-Werte von < 7,5 auch nach 12 Monaten, sind Maßnahmen durch den Fachmann nötig.

Korrosionsschutzanlagen wie Elysator trio.1 oder SorbOx (Bild 4) arbeiten auf Basis des elektrochemischen Korrosionsschutzes (Opferanode). Sie binden den eindringenden Sauerstoff, heben den pH-Wert in den alkalischen Bereich, sind selbstregulierend und eignen sich bestens für den salzarmen Betrieb nach VDI 2035, Teil 1 Pkt. 8.4.6.

Handwerksbetriebe und Betreiber müssen bei salzarmer Fahrweise folgende Parameter jährlich messen und in einem Anlagenbuch dokumentieren:

  • Elektrische Leitfähigkeit (<100 µs/cm)
  • pH-Wert (8,2 –10) bzw. bei Aluminium (7,5 – 9)
  • Optik des Heizungswassers
  • Nachspeisemenge.

Tino Sarro

Tino Sarro
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· Artikel im Heft ·

Die drei „S“ des Heizungswassers – Sauerstoff, Salzgehalt, Säuregehalt
Seite 41 bis 43
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