Das Potenzial an Flächen zur Umnutzung ist enorm, die Zahl erfolgreicher Umwandlungsprojekte nicht mehr marktgerechter Büroimmobilien in Wohnungen indes überschaubar. Dietmar Walberg, Geschäftsführer der ARGE-SH Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen GmbH, meint, dass in Deutschland weit über 350 Mio. m2 Bürofläche für ein Refurbishment in Frage kämen. „Jedes Prozent Bürofläche, das durch Dauer-Homeoffice zu Wohnungen umgenutzt werden kann, macht die Schaffung von rund 50.000 Wohnungen zu je 70 Quadratmetern möglich“, so Walberg.
Kein schnelles Investment
Abgesehen vom oft fehlenden Baurecht erscheint ein Investment häufig bautechnisch nicht lohnenswert. Das schnelle Geld ist nach Aussage von Immobilienexperten im komplexen und schwierigen Umbaubereich selten zu holen. Wesentliche Argumente dafür sind jedoch die Einsparung grauer Energie und der Aspekt der Nachverdichtung. Einmal genehmigte Geschossflächenzahlen können außerdem bei der Umnutzung voll übernommen werden. Ein Beispiel: Elf bestehende genehmigte Geschosse in zentraler Lage sind unter Kosten-Nutzen-Aspekten wesentlich besser als nur noch sieben Geschosse, die nach einem Abriss etwa nach Baurecht für den Neubau genehmigt würden. Frühere Büroobjekte bieten zudem oft sagenhafte Raumhöhen bis 2,70 m oder großvolumige Foyers, die im späteren Wohngebäude zum Beispiel für Doorman-Konzepte nutzbar wären.
„Sollte sich der Trend zum Homeoffice – durch Corona angetrieben – festigen, sollte angesichts massiven Leerstands im Gewerbebereich jetzt über die Umwandlung nicht mehr benötigter und zeitgemäßer Flächen und Büroräume ab etwa den 70er Jahren aufwärts in Wohnungen nachgedacht werden“, plädiert Dietmar Walberg für sein Konzept zur Umwandlung. Seine Rechnung: „Der Büroumbau zur Wohnung kostet im Schnitt gerade einmal ca. 1.300 Euro/m2, inklusive der nötigen Planungskosten. Büro- und Verwaltungsgebäude bringen bereits das Tragwerk und teilweise auch hohe Standards mit, etwa beim Brandschutz und durch bestehende Aufzugsanlagen. Zum Vergleich: Bei der Vollmodernisierung eines Altbaus fallen durchschnittlich Kosten von ca. 2.600 Euro/m2 an. Beim Neubau sind es sogar ca. 3.500 Euro/m2. Damit kostet die Exbüro-Wohnung nur ein gutes Drittel von dem, was heute für eine Neubauwohnung bezahlt werden muss, und das oft noch in guter innenstädtischer Lage.“
Individuelle Prüfung und politischer Wille sind gefragt
Ob sich der Aufwand lohnt, muss jedoch von Einzelfall zu Einzelfall entschieden werden. Wenn Baurecht und Statik geprüft sind, bleiben Balkone in aller Regel ein nahezu unverzichtbares Element bei der Umwandlung, ebenso wie die Tiefgaragenanbindung und der Schall- und Wärmeschutz.
Ein solches Konzept setzt das Rotenburger Architektenteam ajp beim Walter-Kott-Haus in Bremen-Hastedt um. Jürgen Lohmann plant in enger Absprache mit der Bremer Senatsbaudirektorin den Umbau einer Industriebrache mit Waschbetoncharme der späten 70er Jahre hin zu einem Wohnensemble mit Läden, Restaurants und Parkplätzen für 97 Wohnungen.
Mit zwei Jahren Planungsvorlauf werden aktuell noch mit Förderunterstützung nach KfW70 laut Lohmann Mietwohnungen zu Preisen von ca. 10 bis 11 Euro/m2 realisiert. Ressourcenschonende Um- und Nachnutzung und damit das Einsparen von so genannter „grauer“ Energie sei hier ausdrücklich gewünscht gewesen, die Schaffung neuen Baulands werde so eben vermieden.
Industrie zu Wohnen
Das Walter-Kott-Haus wurde im Stil des Brutalismus errichtet, ein Begriff, der auf den von Le Corbusier eingeführten Ausdruck ‚béton brut‘, (dt. roher Beton) für Sichtbeton zurückgeht.
Bei diesem konkreten Bremer Umbauprojekt sei die vorhandene Grundrissstruktur aus der Büronutzung gut geeignet für die Erschließung der Wohnungen über einen Mittelflur, erklärt Lohmann. Für Lichtdurchlässigkeit sei bestens gesorgt. Auch einige größere Penthouse-Wohnungen sind vorgesehen.
Geplant sei die komplette Dach- und Fassadendämmung inklusive Begrünungsmaßnahmen und der Einbau dreifach verglaster Fenster. Die Raumgestaltung im klassischen Stil mit Gipskartontrennwänden sei überschaubar.
Die klassische Bürosituation mit hoher Raumhöhe werde in diesem Falle durch abgehängte Decken umgangen, dahinter werde die TGA versteckt, erklärt Lohmann. So sei auch die nachträgliche Badinstallation unproblematisch.
Nach dem Bestandstest zur Tragfähigkeit nennt Lohmann als eine der größten Herausforderungen in der Gebäudetechnik die Themen Schallschutz, Brandschutz und Fluchtwege. So müsse ein Feuerwehraufzug eingebaut werden, um nötige Rettungswege zu gewährleisten. Außerdem müsse das Löschwassersystem umgestellt und eine Nassleitung installiert werden.
Für und wider die Umnutzung
Die Nutzung der kompletten fünf Geschosse wäre nach einem Abriss und Neubau nicht in dieser Größenordnung genehmigt worden. Dies war ein wichtiges Argument für den Investor aus Verden.
Je jünger das jeweilige Gebäude, umso flexibler und unproblematischer sei eine Umnutzung möglich, meint Architekt Walberg. Bundesweit seien wohl etwa vier Mio. Wohnungen aus Büroaltbeständen „zu heben“. Er verweist auf Gebäude aus den 80er Jahren, die aufgrund ihrer Grundrisse recht unproblematisch fürs Wohnen umgenutzt wurden. Auf dem Weg zu bezahlbarem neuem Wohnraum sei diese Form zwar ein Nischenbereich, der noch dazu Zeit brauche. Doch die Nachverdichtung durch Umnutzung nehme aktuell immer mehr Fahrt auf.
Thomas Maas, Mitinhaber der MOR-Architekten, ist beim Thema Umwandlung eher zurückhaltend. Flucht- und Rettungswege, Brandschutz, und insbesondere die Handhabbarkeit bei Belichtung und Belüftung seien entscheidende Parameter in der Neuplanung. Oft genug seien derartige Projekte baulich und kostenmäßig schwer darstellbar. Maas gibt ein konkretes Beispiel: Was zum Beispiel sei bei Großraumbüros mit einer Tiefe von 40, 50 m zu tun, um sie wohngerecht umzubauen? In der Regel müsse dann in der Mitte das Gebäude aufgeschnitten werden, um einen Lichthof zu installieren. Dies sei allerdings bei tiefen Nutzungen und zwangsbelüfteten Nebenflächen schwer oder gar nicht realisierbar. Sein Fazit: „Grundsätzlich kann der Umbau funktionieren, in der Praxis scheitert es oft genug an den zu teuren Umbauten und unlösbaren Grundrissproblemen.“
Wie geht die Rechnung aus Sicht der Kommune und des privaten Investors auf? Dietmar Walberg gibt zu bedenken, dass es aufgrund hoher Bedarfe in erster Linie um effiziente Wohnungspolitik im Neubau gehe. Die hohe Hürde mit Zielkonflikten zwischen Klimaschutz und damit steigenden Baukosten, Sozialverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit gelte es gemeinsam zu überwinden. Das bedeute, dass die Kommunen ausreichend günstigen Baugrund zur Verfügung stellen müssten, nämlich für Preise ab ca. 300 Euro/m2. Zugleich könnten die steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten verbessert werden. Und nicht zuletzt gehe es im Sinne der energieschonenden Flächennutzung ebenso um gezielte Fördermethoden.
Hans-Jörg Werth
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