Das Potenzial der thermischen Speicherung

Im Zuge steigender Strompreise und fallender Einspeisevergütungen für PV-Strom wächst die Bedeutung einer intelligenten und effizienten Energiespeicherung. Neben der Speicherung in chemisch-elektrischen Solarstromspeichern kann der Überschuss thermisch gespeichert werden und bietet so auch die Möglichkeit, bei Wärme und Warmwasser unabhängiger zu werden.

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Erneuerbare Energien für eine Neubausiedlung mit Reihenhäusern und Doppelhaushälften Bild: stock.adobe.com/Frank Wagner
Erneuerbare Energien für eine Neubausiedlung mit Reihenhäusern und Doppelhaushälften Bild: stock.adobe.com/Frank Wagner

In Verbindung mit einem Energiemanagementsystem und einer intelligenten Schnittstelle gilt die Wärmepumpe als effizientestes Mittel, um PV-Strom thermisch zu speichern.

Die verschiedenen Arten der thermischen Speicherung erreichen je nach Technik eine unterschiedlich hohe Effizienz. Vergleichsweise geringe Einsparpotenziale resultieren aus der Nutzung eines Warmwasserspeichers und eines Pufferspeichers ohne zusätzlichen Mischer. Ergänzt man den Pufferspeicher um einen entsprechenden Mischer, vervielfachen sie sich. Höhere Speicherpotenziale lassen sich zudem über die thermische Speicherung mittels Gebäudehülle und die ergänzende Nutzung intelligenter Raumthermostate erzielen.

Beispielhafte Kalkulation für Potenziale thermischer Speicherung von Photovoltaikstrom unterschiedlicher Systemkonfigurationen in Verbindung mit einer Wärmepumpe. Bild: Bosch

Bedarfsgerecht berechnen

Das thermische Speicherpotenzial von Warmwasser- und Pufferspeicher hängt primär von der Dimensionierung des Speichers ab, der an den Warmwasser- und Heizenergiebedarf der Bewohner und des Hauses angepasst sein sollte. Eine beliebige Vergrößerung ist nicht zielführend, da die größere Oberfläche zu proportional ansteigenden thermischen Verlusten führt.

In Verbindung mit einem Mischer kann der Pufferspeicher auch in einem System mit Fußbodenheizung bei Solarstromüberschuss bis an seine maximale Temperatur aufgeheizt werden. So wird das thermische Speicherpotenzial deutlich erhöht.

Die Regelung einer Bosch Wärmepumpe in Verbindung mit dem Energiemanager von Bosch bei Photovoltaiküberschuss: In den Morgenstunden erfüllt die Wärmepumpe die Soll-Werte und Kundenbedürfnisse für Warmwasser und Heizen bei relativ konstanter elektrischer Leistungsaufnahme. Nachdem diese erfüllt sind, aktiviert der Energiemanager die Wärmepumpe über die leistungsgeregelte Schnittstelle und steuert deren Kompressor-Leistung in Abhängigkeit des volatilen Photovoltaiküberschusses. Bild: Bosch

Immer häufiger kann in modernen Ein- und Zweifamilienhäusern auf den Einbau von Pufferspeichern verzichtet werden, wenn die Fußbodenheizung über intelligente Raumthermostate gesteuert wird. Ein Energiemanagementsystem kann die vernetzten Raumthermostate bei PV-Überschuss nutzen, um einzelne Räume, z. B. das Bad oder das Wohnzimmer, mit PV-Strom aufzuheizen. Dabei fungiert die Gebäudemasse neben der Raumluft als thermischer Speicher. Eine solche Lösung bietet das größte thermische Speicherpotenzial und zusätzlich Vorteile im Sommer. Denn Luft/Wasser-Wärmepumpen können mit PV-Strom über eine Fußbodenheizung mit vernetzten Raumthermostaten die Raumluft um bis zu 4 K aktiv kühlen. Zudem entlastet ein solches System auch das Stromnetz.

Intelligente Schnittstelle für eine effiziente Energienutzung

Moderne Wärmepumpen werden über offene Standards wie SG-ready oder EEBus für Wärmepumpen darauf vorbereitet, in Verbindung mit intelligenten Messsystemen (digitale Stromzähler mit Kommunikationsmodul) auf Anreize aus dem Stromnetz (z. B. flexible Stromtarife) zu reagieren. Die Stromkosten sinken und zugleich tragen Endkunden dazu bei, das Stromnetz der Zukunft mit erneuerbaren Energien stabil zu halten. Die jeweilige Schnittstelle und die dahinterliegende Funktion bestimmen die Effizienz des Energiemanagements der Wärmepumpe. Hier lässt sich zwischen einer klassischen An-Aus-Steuerung (z. B. über den SG-Ready Standard), und einer modulierenden, leistungsgeregelten Schnittstelle und Funktion unterscheiden.

Informationen zu Energieverbräuchen, Energiekosten und Einsparpotenzial einer realen Kundenanlage. Bild: Bosch

Die Grenzen einer SG-Ready-Steuerung

Mithilfe einer leistungsgeregelten Schnittstelle lassen sich moderne Wärmepumpen mit Invertertechnologie so steuern, dass sie exakt und nahezu wattgenau dem überschüssigen PV-Strom-Angebot folgen, das oftmals durch den Wechsel von direkter und indirekter Sonneneinstrahlung schwankt. Einer An-Aus-Steuerung sind hingegen Grenzen gesetzt: Sie setzt die Einstellung einer festen Schaltschwelle voraus, die der Wärmepumpe schließlich eine Anlaufempfehlung signalisiert. Die Leistung des Kompressors kann so nicht direkt beeinflusst werden und die richtige Balance zwischen der Nutzung überschüssigen Solarstroms und dem notwendigen Netzbezug ist nur selten gegeben. Die Folge: Die Wärmepumpe nutzt zusätzlichen Netzstrom und wesentliche Effizienzpotenziale bleiben ungenutzt.

Bild: HUSS-MEDIEN GmbH

Individuell konfigurieren

Ein effizientes Energiemanagement mittels thermischer Speicherung hängt nicht nur von der Technik der Wärmepumpe ab. Auch Hausbewohner können direkten Einfluss auf das thermische Speicherpotenzial von Solarstrom nehmen. Wird etwa die minimale Solltemperatur des Warmwasserspeichers reduziert, verfügt der Energiemanager über ein größeres Speicherpotenzial. Dabei ist eine Reduktion der Solltemperatur häufig ohne Komforteinbußen zu erreichen.

Eine Nachtabsenkung der Raum- und Warmwassertemperatur können Anwender:innen mithilfe von Zeitprogrammen erreichen. Auf diese Weise verschiebt sich die elektrische Leistungsaufnahme der Wärmepumpe in jene Tageszeiten, in denen Sonneneinstrahlung und PV-Ertrag dem Energiemanager höhere Energiespeicherpotenziale gewähren. Nach der Installation intelligenter Raumthermostate entscheiden Nutzerinnen und Nutzer, welche Räume mit PV-Strom aufgeheizt oder gekühlt werden sollen und welche nicht (z. B. das Schlafzimmer). Das Ergebnis ist ein effizientes und bedarfsgerechtes System.

Stefan Kluepfel

Stefan Kluepfel

Marius Schmitz

Marius Schmitz
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Das Potenzial der thermischen Speicherung
Seite 21 bis 23
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