Architektur und Brandschutz im Einklang

Feuerfestes Trapez in Holz-Hybrid

Die Sicherheit im Edge Suedkreuz ist durch ein cleveres Brandschutzkonzept gewährleistet.

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Sensationelle Holzkonstruktion im Atrium Bild: Ilya Ivanov, Tchoban Voss-Architekten
Sensationelle Holzkonstruktion im Atrium Bild: Ilya Ivanov, Tchoban Voss-Architekten

Berlin baut und baut, so viel wie kaum eine andere europäische Hauptstadt. Jetzt auch zunehmend in Holz(hybrid) wie beim Verwaltungskomplex der deutschen Vattenfallzentrale „Edge Suedkreuz“ in Berlin.

Nach dem Edge East Side, Edge Grand Central am Hauptbahnhof bereichert es jetzt als ein weiteres extravagantes Bürogebäude der Bauprojektentwickler Edge Technologies GmbH die Hauptstadt.

Auf einer ehemaligen Brache unmittelbar neben dem Bahnhof Südkreuz steht mit über 30.000 Quadratmeternoberirdische Geschossfläche die bislang größte CO2-sparende Holz-Hybrid-Konstruktion Deutschlands. Der riesige Gebäudekomplex integriert zwei freistehehende Gebäude mit je sieben oberirdischen Geschossen und Tiefgaragen im Untergeschoss. Optisches Highlight bildet ein 26 Meter hohes Atrium mit vier in der Höhe abgestuften, bis zu 15 Meter hohen baumartigen Plattformen, auch „Trees“ genannt. Sie sind mit verbindenden Treppenkonstruktionen untereinander und mit den angrenzenden Geschossen verbunden. Das Dach besteht aus einem mit Holzleimbindern gestützten Folienkissen. Insgesamt 3.500 Kubikmeter zertifiziertesHolz sind im Gebäudekomplex verbaut. Eine Konstruktion in dieser Dimension stellte auch hohe Ansprüche an die Brandschutzentwickler.Für den erforderlichen Brandschutz zwischen den Stockwerken sorgen die Hybrid-Deckenelemente aus Holz und Beton. Die Module der Büroflächen wurden im 1,35 Meter-Ausbauraster montiert, sind so flexibel und funktionell nutzbar. Es herrscht Barrierefreiheit entsprechend der DIN 18040-1.

Bauseitiger Rauchschutz

Sowohl für die Brandschutzplaner als auch den Prüfingenieur für Standsicherheit sowie die Feuerwehr war diese Dimension in Holzhybridbauweise Neuland und erforderte von allen, bis ins Detail von Beginn an eng zusammenzuarbeiten. Brandschutzplaner Marco Bachmann und Isabell Winkelmann von KLW Ingenieure Berlin entwickelten dabei ein ausgeklügeltes Brandschutzkonzept.

„Dazu gehören die Trockenleitungen für die Feuerwehr nach DIN 14462 genauso wie druckbelüftete Treppenhäuser, Sicherheitstreppenraum, Brandmeldeanlagen mit Überwachung, teilweise direkt zur Feuerwehr durchgeschaltet. Wir konnten hierbei viele neue Erfahrungen sammeln, die uns bei künftigen Projekten sicher zugutekommen. Beispielsweise wie anspruchsvolle Konstruktion mit den Brandschutzprodukten in Einklang gebracht werden kann.“

So verfügen die Sicherheitstreppenhäuser über Überdruckentrauchungsanlagen, bei denen das Entrauchen über Abströmschächte erfolgt. Deren Öffnungen wurden mit großformatigen, einflügeligen und feuerwiderstandsfähigen Entrauchungsklappen Priodor ETX-RDA (Einbau vertikal) und ETX-RDA-H (Einbau horizontal) verschlossen. Falls es zum Brand kommt, öffnen sie sich selbsttätig über die Steuerung bauseitiger Rauchschutz-Druck-Anlagen. Maximale Abmessungen von bis zu einer Breite 1.000 Millimeter × Höhe 2.500 Millimeter (vertikal) und 2.100 Millimeter × 1.000 Millimeter (horizontal) garantieren ungehindertes Abströmen der Brandgase. Die Feuerwiderstandsfähigkeit beträgt über 90 Minuten.

Konstruktionsbedingt mussten jeweils unterschiedlich große Entrauchungsklappen positioniert werden. So die ETX-RDA-H Klappen horizontal unterhalb der fertigen Decke flächenbündig mit der Wand. Die vertikal angebrachten ETX-RDA hingegen wurde in der Wand zurückversetzt eingebaut. Hier entstanden Nischen für Absturzgitter.

Brandsichere Bauteilanschlüsse

„So eine flächenmäßig riesige modulare Holz-Hybrid-Konstruktion technologisch umzusetzen, bedingt von allen Beteiligten auch ein Umdenken und vor allem Disziplin. Mit Hilfe desLife Cycle TowerSystems gelang es, den Betrieb und Lebenszyklus dieses Gebäudes schon vor Baubeginn genau zu planen und zu strukturieren. Alle Fachplaner wurden schon frühzeitig in die Prozesse einbezogen und entwickelten bereits vor Baubeginn zum Beispiel im offenen BIM-Modell einen digitalen Zwilling.

Bis zum kleinsten Durchbruch wurde alles vorgedacht und geplant. Schon frühzeitig in der Planungsphase mussten sämtliche Bauteilanschlüsse nach den Regeln der M-HBauRL und des Kapselkriteriums K260 nach DIN EN 13501-2 mit den Herstellern besprochen werden, um einen sicheren Brandschutz zu gewährleisten“, berichten die beiden Ingenieure weiter.

Kapselkriterien sind in der Musterbauodnung (MBO) klar geregelt. Demnach müssen alle Holzbauteile mit nicht brennbaren Baustoffen umbaut werden.

Das betrifft alle tragenden und aussteifenden Holzbauteile in Wänden und Decken. Für jede hochfeuerhemmende Decke ist eine Brandschutzbekleidung an der Unterseite zwingend.

Um jegliche Gefahr im Edge-Gebäude auszuschließen, wurden alle tragenden Holzbauteile im Brandfall bemessen und auf ihre Tragfähigkeit gründlich überprüft. Denn in einem Brandfall müssen alle tragenden Bauteile ausreichende Standsicherheit aufweisen.

Mit einer Feuerwiderstandsdauer von 90 Minuten gewährleisten die Holz-Beton-Verbunddecken geschossweise Brandabschnitte. Alle Flächen mit Brandschutzwänden, Fluchtwege sowie alle Bauteile der Feuerwiderstandsklasse F90 und Rauchschutz wurden genau definiert beziehungsweise dimensioniert. So auch die Holzbalken und -Stützen, sodass bei eventuellem Abbrand vorgegebene Zeitfenster ohne Funktionseinschränkungen eingehalten werden können.

Nichtbrennbare Fassade

Die innovativen Wand- und Deckenelemente basieren auf dem patentierten Cree modularen Holz-Hybrid-System des österreichischen Start Unternehmens Rhomberg Ventures. Zech Building SE erwarb die Lizenz und setzte diese Bauweise auch am Projekt Suedkreuz um. Alle Fassadenelemente und deren Stützen, Deckenbalken und Fensterrahmen der übererdigen Baugeschosse bestehen aus zertifiziertem Nadelholz und sollen so den Betonverbrauch vergleichsweise zu konventionellen Bauten um zwei Drittel senken. Eine Lösungsidee dazu war, die Decken als 6 bis 10 Zentimeter dünne Stahlbetonplatte mit darunterliegenden Holzbalken als Aussteifung zu fertigen. Herkömmliche Stahlbetonbauten besitzen in der Regel 20 Zentimeter dicke Decken.

Außergewöhnlich für ein siebengeschossiges Holzgebäude ist ebenfalls, dass es in der Fläche (bis auf Tiefgarage und Küchentrakt) ohne Sprinkleranlage auskommt. Eigens dazu wurden Holzaußenfassaden entwickelt, die mit einem nichtbrennbaren Betonfaserverbundsystem verblendet sind. Die verschiedenfarbigen concrete skin Platten der Brandschutzklasse A2-s1,d0 nach DIN EN 13501-1 für die Fassade stammen von der Rieder Sales GmbH Österreich und wurden auf etwa 5.000 Quadratmeter befestigt.

Die (Holz-)hybridbauweise hat sich als schnelle und wirtschaftliche Bauweise beim Edge Suedkreuz erfolgreich bewährt. Auch was den nötigen Brandschutz angeht, sind alle Parameter erfüllt.

Ergänzend zur Holz-Hybridkonstruktion schloss das Brandschutzkonzept auch die Elektroanlagen der zwei Untergeschosse mit ein. Sie erhielten eine Hülle bestehend aus einem flexiblen, modularen Wand- und Raumbausystem. Obwohl die Wandstärke hier nur 42 Millimeter beträgt, ist die Feuerwiderstandsfähigkeit von 30 oder 90 Minuten abgesichert.

Madaster-Datenbank

Alle Produkte und Elemente wurden auf der Madaster-Datenbank mit „100 Prozent Match“ geladen. Damit ist es das erste deutsche Gebäude, für das auf einer digitalen Plattform ein Material-Passport generiert wurde. Das fördert präzises Monitoring der Projektentwicklungen schon während der Planung und bietet künftig für ähnliche Projekte eine wertvolle Rohstoffbank. Außerdem ist die IoT-Sensor-Suite in jedem Büroraum installiert und stellt so über eine Edge-Next-Plattform zu fast jedem bestehenden Gebäudemanagementsystemeine Verbindung her.

Sobald Edge Next installiert ist, fließen die Daten ins Dashboard und geben einen umfassenden Überblick über die Leistung des Gebäudes.

Klimaschonend

Neben Konstruktion, Brandschutz und digitaler Dokumentation ist auch das Sonnenschutzsystem eine besondere Idee. Die MicroShade-Technologie sorgt hier für hitzefrei im Innenraum. Dabei wurde eine 0,2 Millimeter dicke Metallfolie in den Scheibenzwischenraum der Verglasung gesetzt. Alle dabei verwendeten Materialien senken den Kühlbedarf und sind zudem recyclebar.

Holz wächst nach und beeinflusst das Stadtklima enorm.Es sorgt für eine gesunde Arbeits- und Lebensatmosphäre. Mit „Edge Suedkreuz“ verwirklichte das Unternehmen erneut eins ihrer innovativen Bauprojekte. Es beweist, wie Holz als Baustoff auch bei großvolumigen Vorhaben funktioniert und für größere Städte immer attraktiver wird. Das hat übrigens auch der Berliner Senat begriffen und befürwortete mit dem Bau des Postschecktowers am Halleschen Ufer einen weiteren Holz-Hybrid-Bau.

Auch Projektentwickler Townscape setzt mit„Spark“ sein erstes Bauwerk dieser Art in die Storkower Straße des prosperierenden Stadtbezirks Prenzlauer Berg und Friedrichshain. 2024 soll es fertig sein.

Baudaten

Bauherr: Sxb 1 S.a.r.l./Sxb 2 S.a.r.l., Luxembourg

Bauprojektentwickler: Edge

Architektur: Tchoban Voss Architekten GmbH, Berlin

Brandschutzkonzept: KLW-Ingenieure, Berlin

TGA, BIM und Datenmanagement: Buro Happold GmbH, Berlin

Bauausführung: Arge Sxb, Berlin Suedkreuz (Technische und Kaufmännische Geschäftsführung Zech Bau SE Niederlassung Berlin)

Autorin: Bärbel Rechenbach, Freie Baufach­journalistin, Berlin

Redaktion (allg.)

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· Artikel im Heft ·

Feuerfestes Trapez in Holz-Hybrid
Seite 10 bis 15
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