In der Krise liegt auch immer eine Chance: Sowohl zum Wandel, als auch zum Erfolg. So oder so ähnlich erleben die Hochschulen der angewandten Wissenschaften den aktuellen TGA-Markt.
Der Gebäudesektor wie auch die übrige Wirtschaft bewegt sich perspektivisch weg von fossilen Energieträgern hin zu volatilen regenerativen Energien. Führende Unternehmen der Branche stellen sich nicht nur auf den sich disruptiv wandelnden Markt ein, sondern entwickeln schnell und passgenau Lösungen, die dieser Entwicklung Rechnung tragen und den Wandel unterstützen.
Die TGA-Branche hat darin Übung: Die hinter uns liegende Pandemie hat etwa die Innovationsbereitschaft im Bereich der dezentralen Lüftungssysteme gezeigt. Wärmepumpen, elektrische und thermische Speicher, Photovoltaik und Wasserstoff sind neben der Digitalisierung und Nachhaltigkeit die neuen treibenden Faktoren.
Einbruch beim Nachwuchs
Die Industrie schaut mit Sorge auf die Lieferengpässe bei sensiblen Bauteilen für die zunehmend komplexeren TGA-Systeme. Dabei verliert sie eine andere immer knapper werdende Ressource aus dem Blick: die TGA-Ingenieur:innen.
Die Zahl der Studierenden im Ingenieurwesen ist rückläufig. Die Qualifizierung der Schulen im MINT-Bereich lässt stetig nach, so dass weniger junge Menschen über die notwendigen Voraussetzungen verfügen, den Weg in diese Fächer einzuschlagen, oder auch die Begeisterung dafür nicht aufbringen.
Laut Informationen auf der Online-Plattform Statista zum jährlichen Ersatzbedarf an MINT-Akademiker:innen in Deutschland ab dem Jahr 2024 wird mit über 60.000 fehlenden Akademiker:innen auch auf die TGA-Branche ein massiver Mangel an Ingenieurinnen und Ingenieuren zukommen.
Viele Studienanfänger mussten zudem während der Pandemie in ein weniger persönliches und weniger praktisches Online-Studium einsteigen. Abbrüche und die Rückkehr in frühere Semester schwächen die Lieferkette bei TGA-Ingenieur:innen zusätzlich.
Win-win für Hochschule und Industrie
Die FH Münster, eine Hochschule der angewandten Wissenschaften, hat Reformen durchgeführt, um die studentische Ausbildung auf die sich ändernden Marktbedingungen, aber auch die zukünftigen Technologien auszurichten.
Ein passgenaues, attraktives und zukunftsorientiertes Angebot allein sorgt jedoch noch nicht für steigende Studierendenzahlen. Hier bedarf es mehr Anstrengung – am besten schon weit vor der akademischen Ausbildung in den Schulen.
Ein bereits gespieltes Instrument sind die dualen Studiengänge. Hier aber hat die TGA-Industrie spezielle Wünsche. Neben einer selbstverständlich umfassenden Ingenieurausbildung im TGA-Bereich werden unternehmensspezifische Kenntnisse und Fähigkeiten erwartet.
Das Fachwissen in der TGA ist nicht statisch. Neben Weiterentwicklungen in den ordinären Bereichen der TGA wird durch die Regelsetzung, die Forschung und die fortschreitende Digitalisierung der nötige Ausbildungsumfang stetig größer. Zusätzlich wünschen sich die oft spezialisierten TGA-Unternehmen eine auf ihr Geschäftsfeld passgenaue zusätzliche Qualifikation.
Studieren mit Praxis
Die FH Münster hat im Fachbereich Energie · Gebäude · Umwelt (EGU) zum Wintersemester 2022 das völlig neu entwickelte Duale Studium eingeführt. Zweiter Ausbildungsstandort neben der Hochschule ist für die neuen praxisintegrierten Studiengänge keine weitere Bildungseinrichtung, sondern das mit dem Fachbereich kooperierende Unternehmen.
Fester Bestand des Curriculums sind ab dem ersten Semester Praxismodule im kooperierenden Unternehmen, die eng mit dem Tätigkeitsfeld dieses Unternehmens verzahnt sind. So werden in Abstimmung mit dem jeweils betreuenden Modulverantwortlichen unternehmensspezifische Skills vermittelt, die auch dazu führen, dass die Absolventen schon während ihres Studiums eng mit dem Unternehmen verbunden werden.
Berufsbegleitender Masterstudiengang
Direkt darauf aufbauend, schließt die FH Münster im Fachbereich EGU aktuell die Entwicklung konsekutiver Masterstudiengänge ab, die berufsbegleitend studiert werden können. Dabei hat der Fachbereich EGU die TGA im Kontext der Energie-, Gebäude- und Umwelttechnik nicht nur neu verortet, sondern auch die technologisch treibenden Einflussfaktoren für die aktuelle und zukünftige akademische Ausbildung in diesen Fachbereichen bestimmt. Der komplexe Prozess wurde in einer EGU-Landkarte zusammengefasst.
Um diese komplexen Felder und deren Zusammenhänge in der Lehre abbilden zu können, werden Professuren in den Feldern BIM, Photovoltaik, Energiespeicher besetzt. Wasserstoff und zukünftig auch Data Science stehen ebenfalls auf der To-do-Liste.
Fazit
Die FH Münster als eine Hochschule der angewandten Wissenschaften stellt sich aktiv auf Marktbedürfnisse und Zukunftstrends ein. Das allein wird nicht reichen, dem kommenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Die Industrie muss gemeinsam mit den Hochschulen aktiv werden und Schüler:innen, die in den kommenden Monaten ihren Abschluss machen, bei ihrer Entscheidung, ob und was sie studieren werden, unterstützen. Das von der FH Münster im Fachbereich EGU entwickelte praxisintegrierte Studium ist ein Lösungsansatz.
Prof. Dr.-Ing. Bernd Boiting
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