Alles unter einem Dach

Hochmoderne Kraft-Wärme-Kälte-Lösung in SMP-Neubau

Das neue Vorseriencenter der SMP Automotive Exterior GmbH, Teil der international tätigen indischen Samvardhana Motherson Gruppe, in Neustadt an der Donau musste unter erheblichem Zeitdruck ab Januar 2018 innerhalb eines Jahres fertig gestellt werden. Dabei wurden modernste Office-Spaces sowie die Produktionsbereiche für die Vorserienentwicklung unter einem Dach vereint. Dafür benötigte das Gebäude ein modernes und adaptives Wärme-Kälte-Konzept.
1105
Im neuen Vorseriencenter in Neustadt a. d. D. wurden Büroflächen sowie die Produktionshalle unter einem Dach vereint. Bild: Gammel
Im neuen Vorseriencenter in Neustadt a. d. D. wurden Büroflächen sowie die Produktionshalle unter einem Dach vereint. Bild: Gammel

Um diese Herausforderung zu meistern, beauftragte SMP erneut Gammel Engineering GmbH mit der Planung der Versorgungstechnik. Diese Konstellation hatte sich bereits bei früheren Projekten bewährt, u. a. beim Neubau des Werks in Schierling 2014. Für die Ingenieure waren die Verbindung unterschiedlicher Nutzungsanforderungen und die hohen technischen Ansprüche an die Versorgungstechnik eine anspruchsvolle Zielvorgabe. Um dabei eine möglichst hohe Energieeffizienz zu gewährleisten, nutzt das Center beispielsweise Niedertemperaturabwärme aus dem nahegelegenen BHKW des Hauptwerks, das bereits 2016 ebenfalls von Gammel realisiert wurde.

„Bauvorhaben während der Wintermonate stellen aufgrund der Witterung keine leichte Aufgabe dar, insbesondere wenn diese nur eine begrenzte Zeit in Anspruch nehmen sollen“, berichtet Dipl.-Ing. Stephan Dobmayr, Director Operational Development bei der SMP Automotive Exterior GmbH. „Für das geplante Vorseriencenter in Neustadt gab es eine einjährige Frist, wobei die Produktion bereits nach acht Monaten anlaufen sollte“. Eine Herausforderung bei der Projektumsetzung war die Vorgabe, dass 50 % der Heizleistung aus erneuerbaren Energien oder durch Abwärme gewonnen werden müssen. Hinzu kam, dass beim Wärme-Kälte-Konzept die verschiedenen Temperaturansprüche der Nutzungsflächen berücksichtigt werden mussten. Dabei galt es, sowohl eine individuell einstellbare Klimatisierung für die Büroräume bereit zu stellen, sowie eine energetisch optimierte Temperaturlösung für die Spritzgießmaschinen in der Produktionshalle. „Da Gammel Engineering in dieser Größenordnung bereits mehrere Industriestandorte geplant und auch mit uns bereits erfolgreich zusammen gearbeitet hatte, entschieden wir uns bei der TGA erneut für diesen Partner“, begründet Dobmayr die Auftragsvergabe. Das Abensberger Ingenieurbüro plante und realisierte daraufhin die gesamte Versorgungstechnik des 10.000 m² großen Werks und projektierte die Kälteerzeugung für Werk und Büro sowie die Heizungsversorgung.

Besonderes Augenmerk auf Energieeffizienz

Maximale Energieeffizienz war Anspruch und Ziel des Projekts. Deshalb wurde sowohl beim Heiz- als auch beim Kühlsystem darauf geachtet, eine möglichst Ressourcen schonende Lösung zu installieren. Die Kälteversorgung erfolgt daher über eine 450 kW-Kältemaschine, die sehr hohe Wirkungsgrade auf Basis eines magnetgelagerten Turbokompressors aufweist. Um die unterschiedlichen Kälteniveaus zu erreichen, die u. a. die Spritzgießmaschinen zum optimalen Betrieb benötigen, wird über die Kältemaschine selbst ein Temperaturniveau von 14 °C erzeugt, um im Vergleich zu den üblichen 6 °C eine wesentliche Energieeinsparung zu erzielen. Das Temperaturniveau wurde so hoch wie möglich gewählt, um eine maximale Energieeffizienz zu erreichen. Ebenso erfolgt über diesen Kreislauf die Kühlung der Büroräume etwa in den Sommermonaten. Auf diese legte SMP besonderen Wert, um den Mitarbeitern zu jeder Jahreszeit möglichst angenehme Arbeitsbedingungen bieten zu können. Zum anderen wird an den Spritzgießmaschinen ein weiteres Temperaturniveau von 25 °C benötigt, das über einen Teilstrom des erwärmten Rücklaufwassers in Kaskade direkt an der Maschine bereitgestellt wird. „Wir haben darauf geachtet, bei der gesamten TGA so weit möglich Abwärme zu nutzen, so dass der Energieverbrauch möglichst niedrig ausfällt. Eine Abwärmenutzung der Kältemaschine im Winter kam nicht in Frage, da es sich um eine Vorserienproduktion handelt. Diese weist eine wesentlich ungleichmäßigere Auslastung der Kältemaschine auf, als eine Serienproduktion. Unter anderem auch, da der Kältebedarf in den Büros im Winter komplett entfällt“, erklärt Marcel Lorenz, Projektleiter bei Gammel Engineering.

Um ausreichend Energie für die Heizung der Büroräume zu erhalten, nutzt Gammel die Abwärme des erdgasbetriebenen BHKWs auf dem benachbarten Hauptwerkgelände. Hierbei handelt es sich um eine Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung mit einer Absorptionskältemaschine für das bestehende Werk. Über eine Erdleitung wird die Niedertemperatur-Abwärme des Gemischkühlers, die ansonsten keine Verwendung findet, in das Heizungsnetz eingespeist. Durch die Nutzung der Abwärme steigert sich auch die Energieeffizienz des bestehenden BHKWs nochmals. „Da die Abwärme aber nur 30 °C warm und das Niveau zum Heizen zu gering ist, wird sie mit Hilfe einer Wärmepumpe auf ein Außentemperatur geführtes Niveau von etwa 50 bis 60 °C gebracht. Es wurde eine maximale Vorlauftemperatur von 60 °C gewählt, um den Wirkungsgrad der Heizungsanlage zu maximieren“, erläutert Lorenz. Ebenso wird auch die Abwärme des Druckluftkompressors aus dem Werk für die Heizung mitgenutzt. Die Energie der Wärmepumpe und des Druckluftkompressors werden über einen Speicher zwischengespeichert, um kleinere Lastspitzen abzufedern. Größere Spitzenlasten wiederum, die nur an wenigen Tagen im Jahr auftreten, können über einen separaten Gas-Brennwertkessel abgedeckt werden. Dadurch kann die Grundlast für die Gebäudeheizung komplett abgedeckt werden. „Durch diesen Kreislauf konnten wir die Auflage der EnEV, 50 Prozent Energiebedarf aus erneuerbaren- oder Abwärme-Quellen zu decken, problemlos erfüllen“, so Lorenz.

Bürobereich mit individueller Heizung

Besonderes Augenmerk wurde auf die Konditionierung des Bürobereichs gelegt. Dieser ist als Open-Space-Bereich konzipiert und vereint Projektbüro und Geschäftsführung sowie regionales und globales Management unter einem Dach. Die Heiz-, Kühl- und Lüftungskombination muss daher entsprechend flexibel und adaptiv arbeiten können, da unterschiedliche Anforderungen an die Büroräume gestellt werden. „Flexible Konferenzräume, die für 5 bis 60 Personen ausgelegt sind und die Empfangsfläche für den Kunden benötigen andere Temperaturniveaus als beispielsweise der Arbeitsplatz des einzelnen Mitarbeiters“, erklärt Dobmayr. Daher lassen sich alle Büros auch separat ansteuern und über eine Umluftkühltechnik bzw. statische Heizflächen mit der benötigten Leistung versorgen, um die Räume effizient zu kühlen bzw. zu heizen. Dadurch haben die Mitarbeiter das ganze Jahr über optimale klimatische Bedingungen. Alle Anlagenteile sind über ein Bus-System miteinander verbunden und können auch zentral geregelt werden. Das Zusammenspiel der einzelnen Heizungs-, Kühl- und Lüftungskomponenten wird über den Bus energieeffizient geregelt.

Fazit

„Bei diesem anspruchsvollen Bau unter Zeitdruck war ein Team notwendig, das mit den hohen Anforderungen vor Ort vertraut war und zudem sehr gut harmonierte“, resümiert Dobmayr. „Gammel Engineering und die anderen Projektpartner haben diese Anforderungen problemlos erfüllt“.

Das Gebäudekonzept, wie es nun in Neustadt vorliegt, soll mit seiner ausgefeilten TGA-Lösung als Standard für zukünftige SMP-Bauten gelten.

Technische Daten

Blockheizkraftwerk: 1,5 MW elektrisch, 1,5 MW thermisch

Absorptions-Kältemaschine: Antriebsleistung 1,1 MW, Kälteleistung 0,9 MW

Auskopplung Gemischkühler BHKW: 140 kW

Kompressionskältemaschine Vorseriencenter: Kälteleistung 400 kW

Tobias Möldner

Tobias Möldner
AnhangGröße
Beitrag als PDF herunterladen676.87 KB

· Artikel im Heft ·

Hochmoderne Kraft-Wärme-Kälte-Lösung in SMP-Neubau
Seite 31 bis 33
13.10.2023
Abwärmenutzung – Teil 1
Industrie, Handel und Gewerbe bieten ein erhebliches Abwärmepotenzial, das bislang kaum erschlossen ist. Zwei Beispiele aus der Praxis zeigen, worauf es dabei ankommt und dass die Herausforderungen...
15.08.2023
Clage in Lüneburg
Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind zentrale Elemente der Unternehmensphilosophie von Clage, einem führenden Industrieunternehmen für energiesparende Warmwassergeräte, das 1951 von Claus-Holmer...
13.11.2023
Abwärmenutzung – Teil 2
Wenn der Wärmesektor bis 2050 klimaneutral werden soll, muss nicht nur die Nutzung regenerativer Energiequellen wie Solar- und Windenergie forciert werden; auch die Abwärme aus Industrie, Gewerbe...
14.08.2023
Luft entfeuchten
Das Verarbeiten, Verpacken und Lagern von hochwertigen frischen Produkten wie Obst, Gemüse, Geflügel, Fisch oder Meeresfrüchte erfolgt aus Hygiene- und Qualitätsgründen in gekühlten Räumen. In diesen...
15.08.2023
200.000 m³ frische Luft pro Stunde
Bereits seit über 50 Jahren ist sie in Düsseldorf eine feste Institution für Konzerte und Veranstaltungen: Für Ortskundige noch als Philips-Halle bekannt, wird sie seit 2011 nach ihrem neuen Namens...
11.05.2023
Sinnvolle Ergänzung
Flächensysteme sind nicht nur im Neubau die Basis für gute Jahresarbeitszahlen. Wo es technisch möglich ist, können sie Wärmepumpen auch in Bestandsgebäuden unterstützen.