Externe adiabatische Befeuchtung in einem Archiv

Die Stadtbibliothek Leipzig, Aufbewahrungsort historischer Dokumente und Kulturgüter, wurde vor einigen Jahren saniert. In der Folge zeigten sich Ablagerungen an Möbeln und weitere Symptome, die darauf hinwiesen, dass die neu eingebaute Klimaanlage ungeeignet war. Ein Gutachten analysiert das Problem und zeigt Alternativen.

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1 – Stadtbibliothek Leipzig Bild: Dr. Klaus Knoll
1 – Stadtbibliothek Leipzig Bild: Dr. Klaus Knoll

Die Aufbewahrung wertvollen Kulturmaterials, insbesondere von Grafiken, Büchern, Urkunden und ähnlichem erfordert entsprechende Räume und ein Raumklima, das den Erhaltungsanforderungen im notwendigen Maß Rechnung trägt.

Insbesondere müssen die Temperatur und die Luftfeuchte konstant gehalten und häufige und schnelle Schwankungen vermieden werden. Hohe Schwankungsfrequenzen stellen die größte Gefahr für das Archivgut dar /1/.

Die Stadtbibliothek Leipzig beherbergt seltene Schriften der Musikbibliothek Peters, eine Lutherbibel und Originale von Notenschriften der Komponisten Bach, Schumann und Mendelsohn-Bartholdy. Darunter befinden sich weltweit einzigartige und deshalb besonders wertvolle Bestände.

Im Zuge einer grundlegenden baulichen Sanierung und Modernisierung in den Jahren 2011/2012 sollte zugleich für moderne Klimatisierung der Archiv- und Depoträume gesorgt werden. Die Wahl fiel dabei auf ein System mit externer adiabatischer Befeuchtung.

Konzeption der RLT-Anlage

Gemäß der Aufgabenstellung zur Planung der raumlufttechnischen Anlage waren die folgenden Raumparameter einzuhalten /3/:

  • Raumtemperatur: 18 °C
  • relative Luftfeuchte: 50 – 55 %.

Die Räume des Archivs und des Sondermagazins der Bibliothek befinden sich im so genannten Gartengeschoss, dem ersten Untergeschoss des Gebäudes. Die zugehörige RLT-Anlage ist im eigens dafür eingerichteten Technikraum auf der gleichen Bauebene eingebaut. Das RLT-Gerät ist als Zuluft-/Abluftgerät mit Wärmerückgewinnung und interner Kühlung (Abluft-Wärmepumpe) und geregelter Nacherhitzung konzipiert. Die Zuluft strömt über lineare Auslässe durch Rohrgitter, die an den Längsseiten des Raums angeordnet sind, in den Archivraum ein. Im Sondermagazin ist ein Zuluft- und Abluft-Tellerventil eingebaut. Folgende Luftvolumenströme sind geplant:

Archiv: V·L = 2.320 m³/h (Raumvolumen: 514 m³)

Sondermagazin: V·L = 180 m³/h (Raumvolumen: 46 m³)

Für die Einstellung der einzuhaltenden relativen Luftfeuchte sind in beiden Räumen Hochdruck-Vernebelungsdüsen im Bereich der Zulufteinströmung angeordnet. Zwei Raumsensoren, die ebenfalls an der Längswand in unmittelbarer Nähe der Zuluftauslässe installiert sind, messen die relative Feuchte der ausströmenden Zuluft. Bei Abweichungen vom eingestellten Soll-Wert wird impulsartig eine Wasservernebelung ausgelöst. Das vernebelte Wasser wird durch eine Wasseraufbereitungsanlage bis auf einen Restsalzgehalt von 1 bis 5 % aufbereitet. Mit dieser Anlagentechnik erfolgt eine externe adiabatische Befeuchtung der Zu- bzw. der Raumluft in den Archivräumen.

Schadenssymptome

Nach Abschluss der Maßnahmen und der Betriebsaufnahme im Jahr 2012 zeigten sich in der Folge Erscheinungen und Mangelsachverhalte, die einer anforderungsgerechten Aufbewahrung und Archivierung der wertvollen Kulturgüter zuwiderliefen. Die Archivarien mussten deshalb ausgelagert und die Klimaanlage außer Betrieb genommen werden. Eine Analyse des Problems wurde in Auftrag gegeben.

Messungen im Betriebsmodus

Zur Prüfung der vorhandenen Befeuchtungsanlage und der von ihr beeinflussten Parameter wurde die Anlage vom Betreiber in den Soll-Betrieb versetzt. Nach einer intensiven Prüfung und Wartung der Befeuchtungs- und Wasseraufbereitungsanlage konnte diese ebenfalls in Betrieb genommen werden.

Um das Befeuchtungsniveau der Räume allmählich herzustellen, wurde ein „Einschwingzustand“ von ca. einer Woche berücksichtigt, worin der Soll-Wert der relativen Luftfeuchte auf zunächst 40 % eingestellt wurde. Anschließend bestand als Sollwertvorgabe für die relative Luftfeuchte ein Wert von φSoll = 52 % mit einer Anlagenhysterese von ± 2 %.

In den Tabellen 1 und 2 auf den Seiten 18 und 19 sind die Einstellwerte der Zuluft und die an der Regelanlage gemessenen Ablufttemperaturen eingetragen.

Aus Bild 2 zu den Zustandsverläufen der Zuluft im Winter ist ersichtlich, dass die Vorgabewerte nicht eingehalten werden können. Wird die Luft bis zu einer relativen Luftfeuchte φ = 50 % befeuchtet, sinkt die Zulufttemperatur auf zu niedrige Werte; wird hingegen die Lufttemperatur eingehalten, kann der Soll-Wert der relativen Feuchte nicht erreicht werden.

Weitere Untersuchungen ergaben, dass die Nacherhitzerleistung zu gering ausgelegt war. Bei ausreichender Leistung könnte der Zustandsverlauf nach Bild 3 erreicht werden. Im Sommerbetrieb erreicht die vorhandene Anlagentechnik die erforderlichen Vorgabewerte (Bild 3).

Mit der gewählten externen adiabatischen Befeuchtung wurde planungsseitig eine spezielle Art der Befeuchtungsmöglichkeit gewählt. Im Betrieb während einer Winterperiode (kalte Tage) und während einer Sommerperiode (warme Tage) jeweils über zwei Monate im Jahr 2018 wurden die sich einstellenden Raumparameter (Ti, φi) im Bereich des Archivgutes mit Datenlogger erfasst.

Der Verlauf der Raumparameter ist:

  • in Bild 4 im Winter
  • in Bild 5 im Sommer in einem größeren Archivraum
  • in Bild 6 im Winter
  • in Bild 7 im Sommer in einem kleineren Sondermagazin

ersichtlich.

Ergebnis

  1. Weder in der kalten noch in der warmen Jahreszeit werden die Soll-Werte erreicht.
  2. Die Raumparameter wiesen erhebliche Schwankungen auf, die über denen liegen, die einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der Archivarien zuträglich sind /1/.

Im Betrieb während der Winterperiode wurden an der Möblierung (Rollregale) Ablagerungen festgestellt, die als Rückstände des Befeuchtungswassers und als Verfrachtung von Korrosionsprodukten der Zerstäuberdüsen analysiert wurden.

Bezüglich der Gefährdung von gelösten Sulfaten bzw. Mineralien wird in der Fachliteratur (z. B. von Glauert /1/) ausgeführt, dass Archivmaterial im Allgemeinen empfindlich gegenüber anorganischen Stoffen sind, insbesondere im Feuchtebereich von 40 bis 65 %. Hier kann es zur Hydrolyse kommen. Der Einfluss anorganischer Substanzen wirkt sich zerstörerisch auf das Archivmaterial aus.

Die Ablagerungen der gelösten Sulfate bzw. Mineralien werden zum Ausgangspunkt für Schäden an den gelagerten Archivarien (Buchbeständen u. ä.).

Die instabilen raumklimatischen Bedingungen, insbesondere die festgestellten Schwankungsbreiten von Temperatur und relativer Feuchte führen ebenfalls zur Gefährdung der gelagerten Buchbestände. Mit der gewählten Variante der externen Befeuchtung war notwendigerweise die Verlegung von wasserführenden Leitungen bis zu den Zerstäuberdüsen verbunden. Die wasserführenden Leitungen mit einem Betriebsdruck von 80 bar werden in die Archivräume geführt. Dies steht jedoch im Widerspruch zu den Forderungen der DIN ISO 11799 /2/, die die Verlegung von Wasserleitungen weder in noch in der Nähe eines Magazinraums erlaubt.

Fazit

Mit der vorhandenen Konfiguration der geplanten RLT-Anlage können die Vorgabewerte für die Raumluft von 18 °C und der relativen Feuchte von 50 – 55 % nicht realisiert werden. Speziell im Winterbetrieb wurde die Heizleistung des Nacherhitzers zu gering bemessen.

Zwischen der Befeuchtungsanlage und der RLT-Anlage besteht keine regelungsseitige Kopplung. Es werden keine Messwerte der relativen Feuchte aus den Räumen an die RLT-Anlage übertragen, um die erforderlichen Zuluftparameter so einzustellen, dass die durch die adiabate Befeuchtung erfolgende Abkühlung berücksichtigt wird.

Die festgestellten Änderungsgeschwindigkeiten der Lufttemperatur liegen bei ungefähr ± 1 °C pro Stunde. Die Änderungsgeschwindigkeit der relativen Luftfeuchte beträgt, insbesondere bei kleineren Raumvolumina wie im Sondermagazin der Bibliothek, mehr als ± 3 % pro Stunde.

Die Schwankungen dieser Klimaparameter sind zum einen fehlerhaft im Sinne der allgemein anerkannten Regeln der Technik und wirken sich nachweislich auf das Archivgut aus.

Der Betrieb der Klimaanlage, insbesondere der Befeuchtungsanlage, führt zu Ablagerungen von Natriumsalzen und Kalziumsulfat aus dem Befeuchtungswasser sowie darüber hinaus auch zu zinkhaltigen Belagsbestandteilen. Dies ist als Hinweis auf die Verfrachtung von Korrosionsprodukten von den Zerstäuberdüsen zu deuten. Die Ablagerungschemikalien sind schädlich für die gelagerten Buchbestände.

Für den Anwendungsfall der Klimatisierung von Archivräumen mit genau einzuhaltenden Raumparametern und engen Toleranzen ist eine externe adiabate Befeuchtung somit ungeeignet.

Die Installation von Wasserleitungen zu den Befeuchterdüsen widerspricht zudem den allgemein anerkannten Regeln der Technik.

Zur Behebung des Problems ist die Anlagentechnik so zu verändern, dass der komplette Luftaufbereitungsprozess in einem extern aufgestellten RLT-Zentralgerät durchgeführt wird. Mit einer Dampfbefeuchtung der Zuluft im Zentralgerät können die erforderlichen Zuluftzustände stabil eingestellt und den Räumen zugeführt werden. Unabdingbar ist eine repräsentative Messwerterfassung in den Archivräumen und entsprechende Rückkopplung zur Leittechnik.

Literaturhinweise

  • /1/ Glauert, M.: Klimamessung und Klimaregulierung im Archivmagazin. In: Glauert/Ruhnau: Verwahren, Sichern, Erhalten. Handreichungen zur Bestandserhaltung in Archiven, Potsdam 2005 (Veröffentlichungen der brandenburgischen Landesfachstelle Bestandserhaltung für Archive und öffentliche Bibliotheken, Bd. 1)

  • /2/ DIN ISO 11799 Information und Dokumentation – Anforderungen an die Aufbewahrung von Archiv- und Bibliotheksgut (ISO 11799:2003); 06-2005

  • /3/ Gerichtsakte LG Leipzig 03 OH 41/16 mit der Ausführungsplanung RLT

Prof. Dr.-Ing. Klaus Knoll

Prof. Dr.-Ing. Klaus Knoll
Sachverständigenbüro Dr.-Ing. Klaus Knoll
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Externe adiabatische Befeuchtung in einem Archiv
Seite 16 bis 20
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