Kapillaren und Mikrowindkessel in Pressfittingsystemen und selbstdichtenden Verschraubungen

1) Aus praktischen und wirtschaftlichen Gründen wird beim Errichten von Trinkwasserinstallationen heute zunehmend auf klassische Verbindungstechniken wie Schweißen, Löten und eingedichtete Schraubverbindungen verzichtet. Die stattdessen zunehmend verwendeten Pressfittings und selbstdichtenden Schraubverbindungen stellen aufgrund einer möglichen Biofilmbildung in den systemimmanenten Kapillaren und durch so genannte Mikrowindkessel eine erhöhte Verkeimungsgefahr dar.
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1 – Pressfitting DN 50 vor dem Verbauen – deutlich sichtbar sind der O-Ring in seiner Führungssicke und der wasserseitige Anschlag für das einzusteckende Rohr. Bild: Florian Kühner-Feldes
1 – Pressfitting DN 50 vor dem Verbauen – deutlich sichtbar sind der O-Ring in seiner Führungssicke und der wasserseitige Anschlag für das einzusteckende Rohr. Bild: Florian Kühner-Feldes

Allgemeine Ursachen von Trinkwasserverkeimungen

Die in verkeimten Trinkwasseranlagen immer wieder zu Tage tretenden Fehlerquellen /1/ lassen sich beinahe an einer Hand abzählen. Meistens handelt es sich um Folgen von Totsträngen, unzureichender Nutzung von Leitungssträngen, falschen Temperaturen, falschen Rohrdimensionen, ungeeigneten Werkstoffen, Korrosion, kontaminierten Bauteile und anderen für die Fachwelt eigentlich banalen Allgemeinplätzen.

Zu den vorrangigen Erstmaßnahmen bei beanstandeten Befunden gehört die intensive Spülung der betroffenen Leitungen, begleitet von regelungstechnischen Änderungen sowie teilweise aufwändigen Um- und Rückbaumaßnahmen.

Problemanlagen und Problemkeime

Ein Großteil dieser Strategien und Maßnahmen führt dann auch zum Erfolg, und die betroffenen Anlagen machen danach keine Probleme mehr. Einige Anlagen widersetzen sich aber hartnäckig diesen Bemühungen, liefern trotzdem weiterhin Grenzwertüberschreitungen, und als nächste Instanz kommen technisch aufwändige Reinigungsverfahren sowie thermische oder chemische Desinfektionsmaßnahmen zum Zuge. Die darauf spezialisierten Fachfirmen verweisen auf hohe Erfolgsquoten von annähernd 100 %. Bei den dann immer noch fehlgeschlagenen Versuchen – Grund dafür, dass keine seriöse Fachfirma eine absolute Erfolgsgarantie gibt – kommt von Expertenseite einhellig die Rückmeldung, dass Pseudomonas aeruginosa die meisten Probleme bereitet, derer man oft erst nach vielen Monaten und aufwändigen weiteren Maßnahmen Herr wird, bis hin zum sukzessiven Austausch verdächtiger Armaturen oder ganzer Leitungsstränge.

In Anlagen mit hohem Gefährdungspotenzial für die Nutzer, z. B. in Gesundheitseinrichtungen, erfolgt regelmäßig eine Untersuchung auf P. aeruginosa, der dort in 100 ml Trinkwasser nicht nachweisbar sein darf (Grenzwert = 0 KBE/100 ml) /1/. Von dieser Spezies und anderen verwandten Arten ist bekannt, dass sie mit geringstem Nährstoffangebot auskommen und sich sogar in Dichtungsmaterialien und Schmierfetten von wasserführenden Armaturen vermehren. Ferner stammen die Pseudomonaden in Trinkwasseranlagen im Gegensatz zu Fäkalkeimen und Legionellen in der Regel nicht aus dem zuführenden Wasserleitungsnetz, sondern werden vor allem bei Neuinstallationen und Instandsetzungsarbeiten aus der Umwelt in das System eingebracht (z. B. kontaminierte Bauteile, Stagnationswasser in teilgefüllten Anlagen, Verwendung nicht zugelassener Materialien usw.) /1/.

Wegen dieser Hartnäckigkeit und seiner besonders anspruchslosen Lebensbedingungen ist P. aeruginosa für die folgenden Ausführungen maßgeblich, wobei sich viele Schlussfolgerungen analog auch auf andere Trinkwasserkeime übertragen lassen.

Innovationen in der Trinkwasserinstallation

Neue technische Verkeimungsherde

Klassische Verbindungstechniken, wie Rohrverschraubungen mit Hanf oder Dichtband, Schweißen und Löten, weichen vor allem aus ökonomischen Gründen immer mehr Schnellmontagemethoden, allen voran Pressfittings und selbstdichtenden Verschraubungen. Diese aktuellen Verbindungstechniken haben den Vorteil, dass Trinkwasserinstallationen in wesentlich kürzerer Zeit erstellt werden können, als noch vor wenigen Dekaden. Die höheren Materialkosten werden bei Weitem durch verringerte Lohnkosten kompensiert.

In diesem Aufsatz sollen Pressfittings und selbstdichtende Verschraubungen als inzwischen fest etablierte Repräsentanten kapillarbildender Bauteile näher betrachtet werden. Flachverschraubungen, Klemm-, Steck- und Klebeverbindungen, neue Verbundrohrmaterialien u. a. sind nicht Gegenstand dieser Ausführungen und bleiben unberücksichtigt.

Pressfittings

Die Rede ist hier von jener Pressfittingbauform, die auf den ersten Blick große Ähnlichkeit mit den herkömmlichen Lötfittings hat. Beim Löten werden die zu verbindenden Bauteile nach Reinigung der Kontaktflächen und Auftragen eines Flussmittels zusammengesteckt und mit Weich- oder Hartlot verlötet. Abdichtung und Kraftschluss erfolgen durch das Lot.

Beim Pressfitting übernimmt ein O-Ring wenige Millimeter hinter der Einstecköffnung die Abdichtung der Verbindung (Bild 1). Das eingesteckte Rohr ragt hierbei, je nach Durchmesser, innerhalb der Abdichtung ca. 12 bis 20 mm weit in den wasserführenden Teil der Muffe hinein (Bild 2). Beim Löten füllt sich der komplette Spalt zwischen Rohr und Fittingmuffe mit Lot. Beim Pressfitting hingegen bleibt hier eine hülsenförmige Kapillare bestehen, die pro Verbindung eine Oberfläche von ca. 2 x 4 cm2 (bei Nenndurchmesser DN 12 mm) bis ca. 2 x 30 cm2 (bei DN 50 mm) aufweist. Die Gesamtoberfläche einer einzigen Pressverbindung bei einem DN50 Pressfitting ist somit größer, als eine Kreditkarte.

Der Kraftschluss erfolgt durch zirkuläres Verpressen der Fittinghülse mit dem Rohr, häufig mit einem sechseckigen Querschnitt, um ein Verdrehen zu verhindern. Dadurch werfen sich die Außenkanten am Fitting leicht auf und bilden deutlich sichtbare Kapillarkanäle (Bild 3).

Selbstdichtende Verschraubungen

Bei der herkömmlichen Sanitärverschraubung wird das leicht konische Innengewinde stramm mit Dichtmaterial umwickelt, das sich bei sachgemäßer Ausführung über die gesamte gemeinsame Gewindelänge zwischen Innen- und Außengewinde verpresst.

Selbstdichtende Verschraubungen (z. B. bei Eckventilen weit verbreitet) besitzen zum Abdichten etwa auf Höhe des dritten Gewindegangs eine zirkuläre Sicke mit einem Dichtring (Bild 4). Dieser verpresst sich beim Eindrehen mit dem Außengewinde. Bei anderen Systemen verpresst sich eine konische Kunststoffdichtung am Ende des Innengewindes mit der Schulter der Gewindemuffe (Bild 5).

Entlang den wasserseitigen Gewindegängen entsteht bei diesen beiden Bauarten bis hin zu den Dichtungen an den nicht kraftschlüssigen Gewindeflanken eine spiralförmige Kapillare.

Versuch zum Nachweis der Kapillarbildung

Die auf der Hand liegende Vermutung einer Kapillarbildung konnte in einem einfachen Versuch veranschaulicht werden /2/.

Ein Versuchswerkstück aus unterschiedlichen marktüblichen Bauteilen wurde unter Druck mit Tinte beaufschlagt, um das Eindringen des Mediums in die Kapillaren und Hohlräume zu visualisieren. 24 Stunden nach dem Befüllen wurde das Werkstück entleert, drucklos mit Trinkwasser gespült und anschließend mit Heißluft getrocknet.

Nach Aufspalten der Pressfittings und Verschraubungen konnte nun (merke: trotz Spülung!) durch sichtbare Tintenreste die Füllung der Kapillaren nachgewiesen werden.

Mikrowindkesselbildung durch Luftpolster

Zusätzlich zur Visualisierung der Kapillarfüllung als solcher gelang mit dem Versuch noch der Nachweis eines weiteren Phänomens, mit dessen Deutlichkeit im Vorfeld niemand gerechnet hatte.

Auffällig war bei Pressfittings und selbstdichtenden Verschraubungen gleichermaßen, dass bei keinem der Probestücke die Tinte bis an den Dichtring heranreichte. Die Aufnahmesicken der Dichtringe und die Dichtringe selbst waren ausnahmslos frei von Tintenspuren, unabhängig von der Einbaulage beim Befüllen (steigende, horizontale, fallende Wassersäule). Dies führt zu dem Schluss, dass das Wasser beim Befüllen der Anlage in den beschriebenen Kapillaren ein Luftpolster vor sich herschiebt und zunehmend komprimiert (Bild 6). Bei den Pressfittings ist dieses Druckpolster annähernd ring- oder hülsenförmig, bei den Verschraubungen spiralförmig. Es wirkt als Windkessel und verhält sich genauso, wie das Gaspolster in einem Ausdehnungsgefäß, das sich bei jeder Druckschwankung im umgekehrten Verhältnis komprimiert bzw. expandiert. Da Trinkwasserinstallationen bei jeder Entnahme Druckschwankungen unterliegen, tritt dieser Pumpeffekt viele Male am Tag auf.

Im Folgenden werden diese Druckpolster als „Mikrowindkessel“ und deren Pumpwirkung beim Wechsel zwischen Verdichtung und Expansion als „Atmen“ bezeichnet.

Ebenfalls überraschend war der Nachweis des Windkesseleffekts bei dem Manometer im Versuchsaufbau, der sich bei der Druckbeaufschlagung mit einer erheblichen Menge Tinte gefüllt hatte. Ein Teil davon ließ sich sogar nach dem Zerlegen des Versuchsaufbaus noch aus dem Anschlussstutzen des Manometers ausschütteln. Vermutlich hatte sich dieser Rest im Gerät in einem Hohlraum gefangen und wurde beim Druckabfall nicht wieder komplett ausgeworfen. Bauteile mit Mikrowindkesseln, auch ohne Kombination mit einer Kapillarbildung, finden sich bei aufmerksamer Betrachtung in der Trinkwasserinstallation zuhauf (Bild 7).

Schlussfolgerung

In den Kapillaren stagniert das Wasser an verhältnismäßig großen Kontaktflächen und stellt somit einen idealen Biofilmnährboden dar, insbesondere bei kritischen Temperaturen zwischen ca. 25 und 55 °C. Ein solcher Biofilm, vor äußeren Einflüssen weitestgehend geschützt, kann durch Massenzuwachs kontinuierlich neu kultivierte Mikroorganismen ins Leitungsnetz abgeben. Zusätzlich lässt jede Druckschwankung im System die Kapillaren durch die Mikrowindkessel minimal (jedoch in mikrobiologischen Dimensionen signifikant) „atmen“, wodurch ständig neue Biofilmpartikel mobilisiert und Mikroorganismen schlimmstenfalls in großer Menge ins Leitungsnetz ausgestoßen werden. Besonders bei P. aeruginosa mit Nulltoleranz kann dies zu ständigen Rückfällen und Beanstandungen führen.

Diskussion

Die im Versuch sichtbar gemachte Kapillar- und Mikrowindkesselbildung führt zu folgenden Hypothesen, die zu diskutieren sind:

Prävention

Risikobewertung

Alle oben aufgeführten Risikokriterien erscheinen, auf die einzelne Baugruppe bezogen, marginal, können sich jedoch bei großen Anlagen zu einem massiven Problem aufsummieren. Bereits Volumina im Mikroliter- oder Biofilmsubstrate im Mikrogrammbereich stellen aus mikrobiologischer Perspektive nennenswerte Dimensionen dar, die unseren Bemühungen nach ordentlichen Trinkwasserbefunden permanent in die Quere kommen. Selbst ein einzelnes kritisches Bauteil kann unter Verkettung der erläuterten Umstände dafür sorgen, dass viele Meter weiter ein P. aeruginosa in das Probengefäß gelangt – genau einer zu viel.

Planung, Errichtung und Umbauten von trinkwasserführenden Anlagen unter Einsatz kapillar- und windkesselarmer Systeme

Durch gezielte Auswahl und Konstruktion kapillar- und mikrowindkesselarmer Systeme und Bauteile ist das Risiko von Verkeimungen mit all ihren gesundheitlichen, wirtschaftlichen und haftungsrechtlichen Folgen minimierbar.

Auch bei herkömmlichen, bewährten Anlagenkomponenten und Bauteilen, die schon lange niemand mehr hinterfragt hat, kann das Risiko durch Neukonzeption minimiert werden. Dabei ist die Aufmerksamkeit nicht nur auf Verbindungstechniken zu richten, sondern auch auf Baugruppen, wie z. B. das oben aufgeführte Messfühlerrohr, sowie alle wasserführende Armaturen im Allgemeinen.

Initiale mikrobielle Kontamination

Reine Arbeitsweise bei Neuinstallation und Instandsetzung

Durch einschlägige technische Regelwerke ist die saubere Handhabung von Bauteilen für die Trinkwasserinstallation ausführlich beschrieben und festgelegt. Es kann nicht genug darauf geachtet werden, ungeschützte Lagerung von Bauteilen (Kleinteile in offenen Schachteln und Kisten, fehlende Schutzkappen), kontaminiertes Werkzeug, Montagehilfsstoffe und schmutzige Hände penibel zu vermeiden.

Kaum Beachtung und Erwähnung findet hingegen der Umstand, dass die Wasserrohre und Restrohrstücke zur Wiederverwendung zwar zum Schutz des Innenlumens bis zur Verarbeitung mit Schutzkappen versehen sein müssen, ihre Außenseiten jedoch bei Pressfittings auf Länge der Einstecktiefe später ebenfalls Trinkwasserkontakt haben. Dies gilt für alle Bauteile, die in ein Pressfitting eingesteckt werden sowie analog auch für die Gewinde selbstdichtender Verschraubungen, die allerdings häufiger – aber nicht immer – tatsächlich mit Schutzkappen versehen sind. Fataler Weise werden eventuelle Verunreinigungen in den Kapillaren nach dem endgültigen Zusammenbau von keinem gängigen Spülverfahren mehr erreicht!

Ungeschützt gelagerte Rohre und Bauteile sind verschiedensten Verunreinigungen ausgesetzt (Baustaub, Bauwasser, Tierexkremente usw.), die vor dem Einstecken in ein Fitting unbedingt zu entfernen, am besten sogar zu desinfizieren sind. Hierfür bieten sich alkoholische Wischtücher an (z. B. mit 70 %igem Äthanol oder Fertigprodukte), mit der günstigen Kombination aus sehr guter Reinigungswirkung, Entfettung (!) und kurzer Einwirkzeit. Selbstverständlich dürfen diese Kontaktflächen nach der Behandlung auch nicht mehr mit schmutzigen Werkzeugen oder Händen in Kontakt kommen.

Drucklose Erstspülung der Anlage

Da es die zugedachte Aufgabe der Erstspülung ist, eventuell vorhandene Verunreinigungen aus dem neuen Leitungsnetz heraus zu spülen und bis zu seinem freien Auslauf vor sich herzutreiben, ist im Umkehrschluss der erste Schwall grundsätzlich als verunreinigt zu betrachten. Beim Entlüften der Anlage mit dem damit verbundenen steten Druckanstieg besteht also die Möglichkeit, dass genau diese Verschmutzungen in der Bugwelle des Füllwassers in die sich füllenden Kapillaren gelangen (siehe auch Bild 6). Wenn die Befüllung der Anlage überdies nicht drucklos erfolgt, sondern die Leitungen zuerst einmal mit Betriebsdruck beaufschlagt und dann sukzessive durch aufsteigendes Öffnen der Entnahmearmaturen entlüftet werden (eine durchaus verbreitete „Einmannmethode“), presst dieser Druck das eventuell kontaminierte Wasser des Erstschwalls in die Kapillaren, das dort schlimmstenfalls auf Dauer residiert. Keine noch so intensive nachfolgende Spülung kann dann die in den Kapillaren gefangenen Kontaminationen jemals noch erreichen.

Ein gewagter Gedanke: Der Kapillarkontamination durch ansteigenden hydrostatischen Druck bei der Befüllung hoher Anlagen könnte auch entgegen gewirkt werden, wenn die erste Spülung retrograd, also von den höchstgelegenen Entnahmestellen in Richtung Verteiler mit einem freien Auslauf am tiefsten Punkt erfolgte.

Intermittierende Erstbefüllung der Anlage

Da bei einer steigenden Anlagenentlüftung schon während der Erstspülung wegen des unvermeidbaren hydrostatischen Druckaufbaus in den tiefer liegenden Leitungsabschnitten eine unerwünschte Füllung der dortigen Kapillaren stattfindet (Bild 6), ist das System nach der Erstbefüllung noch mindestens einmal wieder zu entleeren, damit eventuell vorhandene oder eingetragene Initialkontaminationen von den anfangs noch voll entwickelten Windkesseln der Kapillaren wieder „ausgeatmet“ werden. Als Begleiteffekt werden bei der Entleerung vom zurückfließenden Wasser auch Verunreinigungen ausgespült, die eventuell im Stau strömungszugewandter Hindernisse hängen geblieben sind.

Anlagenspülung und -Desinfektion

Intermittierende Spülung befallener Anlagen

Wie bereits aufgeführt, lässt sich das einmal in den Kapillaren befindliche Wasser mitsamt den darin enthaltenen Kontaminationen selbst durch intensives Spülen des Leitungsnetzes nicht mehr austauschen, da die Kapillaren dabei nicht durchströmt werden. Dies ist vergleichbar mit einem Binnenhafen, in dem selbst an einem Fluss mit starker Strömung kein nennenswerter Wasseraustausch stattfindet (Bild 8). Auch wenn man auffällige Keimzahlen mit Intensivspülungen unter die Grenzwerte gedrückt bekommt, ist dies möglicherweise lediglich auf einen vorübergehenden Verdünnungseffekt zurückzuführen. Das Übel ist damit jedoch nicht an der Wurzel gepackt, und trotz anfänglicher Erfolge kommt es immer wieder zu Rückfällen, insbesondere nach dem Zurückfahren der Spülintensität aufgrund guter Untersuchungsergebnisse.
Während der Spülung einer kontaminierten Anlage ist diese deshalb mehrfach zu entleeren, damit die Mikrowindkessel expandieren können und das Wasser dort ebenfalls weitestgehend ausgetauscht wird.

Impulsspülverfahren bewirken keine Kapillardekontamination

Hydraulisch-mechanische Impulsspülverfahren, die zur Entfernung von Biofilm in Leitungsnetzen mittels Mikroturbulenzen, Druckwellen, Kavitation oder Abrasiven eingesetzt werden, erreichen die durch die Rohrwandungen geschützten Kapillaren nicht. Die Eindringtiefe der Impulse in die Kapillarhülsen oder Gewindegänge ist wegen ihrer geringen Amplitude nur marginal und deshalb vernachlässigbar. Auch wenn sich ein vorhandener Biofilm in einer Kapillare durch Körperschallvibrationen der Kontaktflächen von seiner Auflagefläche lösen sollte, fehlt letztlich das Medium, um ihn von dort abzuspülen.

Vollständige Entleerung vor jedem Prozessschritt einer chemischen Anlagendesinfektion

Wie bereits erläutert, können die Fluide der einzelnen Prozessschritte (Reiniger, Biozide, Neutralisatoren, Spülwasser) durch alleiniges Injizieren in ein konstant druckbeaufschlagtes Leitungsnetz nicht in die Kapillaren gelangen. Die Kapillaren müssen immer erst ihren jeweiligen Inhalt mit Hilfe der Mikrowindkessel „ausatmen“, bevor man sie wieder mit neuem Wirkstoff oder Spülwasser füllen kann. Der Nachweis von ausreichend Wirkstoff an den Entnahmestellen belegt nur, dass die Leitungen ausreichend beaufschlagt sind, nicht jedoch die Kapillaren. Eine grundsätzlich in Betracht zu ziehende Wirkstoffdiffusion zwischen Kapillaren und Leitungsraum findet während der üblichen Prozesszeitfenster nicht statt, wäre sehr zeitaufwändig (in einer Dimension von vermutlich mehreren Tagen pro Prozessschritt) und kaum reproduzierbar.

Thermische Desinfektion versus chemische Desinfektion

Das Eindringen der dem Trinkwasser zugemischten Biozide in die Kapillaren bei einer chemischen Desinfektion ist unter Umständen fast völlig ausgeschlossen. Bei thermischen Maßnahmen kann hingegen davon ausgegangen werden, dass die Wärme durch Wärmeleitung in den überwiegend metallischen Werkstoffen bei angemessener Einwirkzeit mit höherer Wahrscheinlichkeit die Biofilme erreicht.

Fußnoten

  • 1)gekürzte Fassung einer Veröffentlichung aus Hyg med 2018; 43 (6): 121–125

Literaturhinweise

Florian Kühner-Feldes

Florian Kühner-Feldes
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· Artikel im Heft ·

Kapillaren und Mikrowindkessel in Pressfittingsystemen und selbstdichtenden Verschraubungen
Seite 66 bis 70
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