Die unterschätzte Gefahr aus dem Kanal
Die Beseitigung der Flut-Wasserschäden an Infrastruktur und privatem Wohneigentum verursacht hohe Kosten. So betrug nach Angaben der Sächsischen Landesregierung der Gesamtschaden des Juni-Hochwassers 2013 mehr als 2,4 Mrd. €. Um die fatalen Auswirkungen von immer häufiger auftretenden, extremen Regenereignissen einzudämmen, wird an verschiedenen Lösungen gearbeitet.
Ein Ansatz ist die Einführung von Frühwarnsystemen. Per App werden Pegelstände oder Unwetterwarnungen an die Bürger ausgegeben. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) warnt in zwei Stufen vor lokal auftretenden großen Niederschlagsmengen. Ab einer Regenmenge von 15 l/m2 in einer Stunde wird eine markante Wetterwarnung ausgegeben, Unwetterwarnungen bei entsprechend höheren Werten. Auch für die Dimensionierung von Stadtentwässerungsnetzen werden die statistischen Auswertungen des DWD zu Starkregenereignissen in der jeweiligen Region genutzt. Aus wirtschaftlichen Gründen können Entwässerungssysteme jedoch nicht so ausgelegt werden, dass mit Auftreten von Starkregen ein absoluter Schutz vor Überflutung gewährleistet ist.
Aber nicht nur Starkregenereignisse, sondern auch Querschnittsverengungen, die durch Ablagerungen oder Verstopfungen im Kanalsystem entstehen, Rohrbrüche oder Pumpenausfälle im öffentlichen Kanalsystem führen dazu, dass das Abwasser nicht mehr so schnell wie nötig abfließen kann und sich dadurch über die Ablaufstellen unterhalb der Rückstauebene wie z. B. Bodenabläufe, Waschbecken, WCs, Waschmaschinen und Duschen in das Gebäude zurückstaut. Diese Räume sind dann schon überflutet, bevor es für die Öffentlichkeit durch angehobene Gullydeckel und überflutete Straßen überhaupt sichtbar wird.
Sind Ablaufstellen unterhalb der Rückstauebene vorhanden, erweisen sich technische Barrieren in Form von Hebeanlagen und Rückstauverschlüssen als die beste Vorsorge gegen eindringendes Wasser durch eine überlastete Kanalisation.
Normen und rechtliche Grundlagen
Bei der Bedarfsermittlung, Planung, Ausführung und Wartung von Rückstausystemen sind eine Reihe von technischen Regeln zu beachten. Maßgebend für den Rückstauschutz sind die Normen DIN EN 12056 und DIN 1986-100. Sie regeln die grundsätzliche Planung und Dimensionierung von Entwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden. DIN 1986-100 ist zusätzlich bis zur Grundstücksgrenze gültig. Für die Grundstücksentwässerung gilt die Normenreihe DIN EN 752 „Entwässerungssysteme außerhalb von Gebäuden“. Ihr Geltungsbereich erstreckt sich von der Gebäudeperipherie bis zum Klärwerk und deckt damit überwiegend die kommunale Entwässerung ab.
Gemäß DIN EN 12056 und DIN 1986-100 sind Ablaufstellen unterhalb der Rückstauebene durch aktive Rückstausicherungen, d. h. automatisch arbeitende Abwasserhebeanlagen mit Rückstauschleife, gegen Rückstau aus dem Kanal zu sichern. Passive Rückstausicherungen, also Rückstauverschlüsse können verwendet werden, wenn alle folgenden Kriterien erfüllt sind:
- Das Abwasser muss im natürlichen Gefälle abgeführt werden können.
- Die Räume müssen von untergeordneter Nutzung sein, d. h. keine wesentlichen Sachwerte oder die Gesundheit der Bewohner dürfen bei Überflutung der Räume beeinträchtigt werden.
- Der Benutzerkreis muss klein sein und diesem muss ein WC oberhalb der Rückstauebene zur Verfügung stehen.
- Bei Rückstau kann auf die Benutzung der Ablaufstelle verzichtet werden.
Hebeanlagen und Rückstauverschlüsse sind regelmäßig und sorgfältig zu warten. Die Regeln für Betrieb und Wartung von Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke sind in der DIN 1986-3 festgelegt.
In der Praxis bedeutet das: Rückstausysteme müssen zwar ständig funktionsfähig sein, Störungen oder Defekte fallen aber nicht sofort ins Auge. Fällt etwa eine Abwasserhebeanlage aufgrund mangelhafter oder unterlassener Wartung aus, so wird der Fehler schnell erkannt und nur das eigene Abwasser nicht abgepumpt. Der Schaden hält sich in Grenzen und der Rückstauschutz ist weiterhin gegeben. Der Ausfall eines Rückstauverschlusses aufgrund mangelhafter oder unterlassener Wartung wird meist erst bei einem akuten Rückstaufall erkannt. Zu spät, denn ein Schutz gegen Rückstau ist dann nicht mehr gegeben.
So stellt sich im Schadensfall meist unerwartet die Frage der Haftung. Der Bundesgerichtshof weist die Verantwortung für einen umfassenden Rückstauschutz den Hausbesitzern, Bauherren oder Altbausanierern zu: Bei einem Rückstauschaden haftet die Gemeinde trotz unterdimensionierter Kanalisation nicht aus Amtshaftung oder aus öffentlich-rechtlichem Schuldverhältnis, wenn der Grundstückseigentümer entgegen der Entwässerungssatzung keine eigene Rückstausicherung eingebaut hat.
Lösungen für umfassenden Rückstauschutz
Die Auswahl der richtigen Lösung für den Rückstauschutz richtet sich nach den Maßgaben der Einbausituation und technischen Leistungsmerkmalen wie den Produkteigenschaften. Hinsichtlich Technik und Einbau gilt es bei der Auswahl der richtigen Rückstausicherung vier grundsätzliche Fragen zu berücksichtigen:
- Besteht ein Gefälle von der Entwässerungsebene zum Kanal oder liegt die Ebene unterhalb der Kanalisation?
- Welche Bereiche sind zu schützen? Handelt es sich um Räume von untergeordneter Nutzung (z. B. einfache Lagerräume) oder um Räume mit Sachwerten (z. B. Vorratslager, Technikräume)
- Kann auf die Ablaufstelle während eines Rückstaus verzichtet werden oder muss die Abwasserableitung durchgängig gewährleistet sein (z. B. bei Räumen mit Fettabscheidern, fremdvermietete Einliegerwohnung)?
- Fließt in dem zu sichernden Rohrbereich fäkalienfreies oder fäkalienhaltiges Wasser, d. h. befinden sich im Keller nur Waschmaschine und Waschbecken oder auch eine Toilette?
Passiver Rückstauschutz durch Rückstauverschlüsse
Können alle oben genannten Kriterien aus der EN 12056 erfüllt werden, dürfen Rückstauverschlüsse eingesetzt werden. Die Schutzwirkung entsteht durch den Verschluss der Rohrleitung, der das Eindringen von rückstauendem Abwasser verhindert. Für den passiven Rückstauschutz eignen sich gemäß der Produktnorm DIN EN 13564 Produkte aus Kunststoff, die neben der Temperaturbeständigkeit auch einem Rückstaudruck auf die Klappen mit maximal 0,5 bar standhalten.
Aktiver Rückstauschutz durch Abwasserhebeanlagen
Der Anlagentyp bei Aktiv-Rückstausicherungen unterscheidet sich nach Art des Abwassers – fäkalienfrei oder fäkalienhaltig. Bei der Wahl des richtigen Produkts spielen außerdem Förderhöhe und der vorgesehene Einbauort eine wichtige Rolle. Im Normalfall sind Abwasserhebeanlagen mit einer einzelnen Pumpe ausgestattet.
Darf der Abwasserzufluss bzw. die Abwasserableitung während des normalen Betriebs nicht unterbrochen werden, ist nach EN 12056-4 eine Hebeanlage mit einer zweiten Pumpe (Duo-Hebeanlage, Doppel-Anlage) mit gleicher Leistungsfähigkeit vorzusehen. Dies ist der Fall bei der Entwässerung tiefliegender Bereiche von Mehrfamilienhäusern, Büros, Gewerbebauten, Krankenhäusern oder von Abwässern aus Abscheideranlagen. Hebeanlagen/Pumpstationen werden als Doppelanlage so betrieben, dass die Pumpen wechselseitig arbeiten und dadurch gleichmäßig beansprucht werden. Die zwei Pumpen laufen also nicht gleichzeitig.
In einigen Bauvorhaben wird statt einer Abwasserhebeanlage im Gebäude eine erdeingebaute Pumpstation außerhalb des Gebäudes gewünscht. Vorteile liegen neben der Platzersparnis auch in der Möglichkeit, anfallendes Regenwasser außerhalb des Gebäudes sicher abzuleiten.
Für alle vorgenannten Anforderungen an den passiven und aktiven Rückstauschutz bietet ACO Haustechnik ein umfangreiches Sortiment an Rückstauverschlüssen, Abwasserhebeanlagen und Pumpstationen an.
Katrin Kropp
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