Systemvergleich

Dezentrale Lüftung mit Wärmerückgewinnung

Ein klimaneutraler Gebäudesektor erfordert die breite Einführung effizienter Lüftungssysteme auch im Gebäudebestand. Ein Blick auf die für die Bestandsmodernisierung geeigneten Lösungen.

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Entwicklung des deutschen Markts für dezentrale Wohnungslüftung zwischen 2014 und 2021 Bild: FGK/BDH /1/
Entwicklung des deutschen Markts für dezentrale Wohnungslüftung zwischen 2014 und 2021 Bild: FGK/BDH /1/

Das einzig wirksame Potenzial, den Energieverbrauch in Gebäuden zu reduzieren, liegt im Gebäudebestand und nicht im Neubau von Wohngebäuden. Diese für Expertinnen und Experten nicht ganz neue Erkenntnis schlägt sich nun auch in der Förderung und Gesetzgebung nieder. Die Diskussion um eine wirksame Gebäudeoptimierung führt zwangsläufig auch zur Frage, wie denn unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit eine energieeffiziente Belüftung von Wohngebäuden erfolgen kann.

Als zum 01.01.2016 die energetischen Anforderungen an den Neubau um 25 % angehoben wurden, führte das auch zu einer Steigerung der Absatzzahlen von Wohnungslüftungsgeräten. Die Berücksichtigung eines Wohnungslüftungssystems mit Wärmerückgewinnung in der Energiebilanz lässt den Primärenergiebedarf um 15 bis 20 kWh/(m2 a) sinken.

Allerdings sieht man an den vom Fachverband Gebäude-Klima und dem Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) gemeinsam veröffentlichten Zahlen zum Markt für Wohnungslüftungsgeräte, dass die dezentralen Geräte deutliche Steigerungen erfahren (Bild 1), zentrale Geräte jedoch eher stagnieren (Bild 2) /1/.

2 - Entwicklung des deutschen Markts für zentrale Wohnungslüftung zwischen 2009 und 2021 Bild: FGK/BDH /1/

Gut zu sehen ist auch, dass der Markt der dezentralen Lüftung im Wesentlichen von paarweise arbeitenden sogenannten Push-Pull-Geräten dominiert wird und weniger von Geräten, die permanent sowohl für Zu- als auch Abluft sorgen.

Was heißt eigentlich dezentral?

Dezentral wird in der Regel als Be- und Entlüftung mit Einzelraum-Lüftungsgeräten verstanden, die einzelne Räume oder im Verbund die Wohnung bzw. Teilbereiche belüften. Es gibt jedoch am Markt noch weitere Gerätevarianten zur dezentralen Belüftung von Wohnungen bzw. Wohnräumen.

Paarweise arbeitende Geräte (Push-Pull Geräte) werden im Wechselbetrieb (Abluft/Zuluft) betrieben und sind mit regenerativen Wärmeübertragern ausgestattet. Der Wärmeübertrager arbeitet in diesen Lüftungssystemen als Speicher.

3 - Push-Pull Gerätepaar – Betriebsphase 1 Bild: Solcher

Im Abluftbetrieb wird er durch die Wärme der Abluft erwärmt (Bild 3), nach einem bestimmten Zeitintervall (z. B. 70 s) wird die Förderrichtung des Gerätepaars geändert (Zuluftbetrieb) und die im Wärmeübertrager gespeicherte Wärme erwärmt die in den Raum einströmende Außenluft (Bild 4). Dafür ist ein wirksamer Raumluftverbund zwischen den belüfteten Räumen vorzusehen.

4 - Push-Pull Gerätepaar – Betriebsphase 2 Bild: Solcher

Fensterlose Bäder und Toilettenräume können mit diesen Geräten nicht belüftet werden. Diese Räume müssen zusätzlich ein Entlüftungssystem nach DIN 18017-3 /2/ erhalten. Für die Belüftung von Küchen und Bädern mit Fenstern ist nach bauaufsichtlichen Vorgaben eine Geruchsübertragung in den Wohnraum zu verhindern, es muss deshalb in diesen Räumen jeweils ein Gerätepaar eingesetzt werden. Einzelraum-Lüftungsgeräte mit Zu- und Abluftventilator können jeden Raum für sich lüften, da sowohl ein Zuluft- als auch Abluftvolumenstrom gewährleistet wird. Zur Wärmerückgewinnung kommen hier wie bei den Zentralgeräten rekuperative Kreuzstrom- oder Kreuzgegenstrom-Wärmeübertrager zum Einsatz (Bild 5).

5 - Einzelraum-Lüftungsgeräte mit Zu- und Abluftventilator (schematische Darstellung) Bild: Solcher

Der Vorteil von Einzelraum-Lüftungsgeräten liegt in der Möglichkeit, jeden Raum individuell zu belüften. Allerdings findet hier keine doppelte Nutzung der Luft wie bei den Push-Pull-Geräten oder bei zentralen Wohnungslüftungsgeräten statt. Zwar wird durch die Wärmerückgewinnung die Abluftwärme genutzt, da aber jeder Raum für sich gelüftet wird, erhöht sich der Gesamtaußenluftvolumenstrom. Dieser Effekt zeigt sich nicht in der primärenergetischen Betrachtung, sondern erst bei der Berechnung der Heizlast nach DIN EN 12831-1 /3/. Eine Lüftung von fensterlosen Bädern und Toilettenräumen ist auch mit diesen Geräten nicht möglich.

Einzelraum-Lüftungsgeräte mit der Möglichkeit Luftleitungen anzuschließen, erlauben die Lüftung weiterer Räume derselben Wohnung mit einem Lüftungsgerät. Im Beispiel (Bild 6) wird so die gesamte Wohnung inklusive der fensterlosen Bäder mit den Einzelraum-Lüftungsgeräten belüftet.

6 - Einzelraum-Lüftungsgeräte mit Zu- und Abluftventilator mit Nebenraumanschluss (schematische Darstellung) Bild: Solcher

Die Vorteile dieses Systems liegen u. a. darin, dass die gesamte Wohnung mit wenigen Geräten belüftet werden kann und auch der doppelten Nutzung der Luft. Der Gesamtaußenluftvolumenstrom kann so gesenkt werden. Neben den Luftleitungen zu den Ablufträumen muss ein wirksamer Raumluftverbund in der Wohnung hergestellt werden.

Mit wohnungszentralen Lüftungsgeräten erfolgt die Belüftung der gesamten Wohnung über ein Lüftungsgerät (Bild 7). Am Markt sind Geräte verfügbar, die in der Außenwand, der Vorwandinstallation, im Küchenschrank oder in der abgehängten Decke untergebracht werden können. Auch hier ist neben den Luftleitungen zu den Zu- und Ablufträumen auch ein wirksamer Raumluftverbund in der Wohnung herzustellen.

7 - Wohnungszentrales Zu-Abluftgerät (schematische Darstellung) Bild: Solcher

Allen dezentralen Lüftungssystemen gemein ist, dass sie keine gemeinsame Hauptleitung nutzen, die nach MLüAR /4/ mit Absperrvorrichtungen ausgestattet werden muss. Aufwand und Wartung werden so minimiert und es kann eine individuelle Modernisierung einzelner Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus erfolgen.

Außenluftbedarf und Schallemission entscheiden

Auf den ersten Blick sind die Vorteile von paarweise arbeitenden Lüftungsgeräten (Push-Pull Geräte) sehr deutlich: Sie lassen sich i. d. R. über eine Kernbohrung leicht in den Außenwänden integrieren und sie benötigen kein Kanalnetz. In Verbindung mit der Wärmerückgewinnung scheint das ein optimales Lüftungssystem für die Bestandsmodernisierung zu sein. Die Zahlen von FGK und BDH belegen zumindest den Verkaufserfolg.

Allerdings sollte bei der Entscheidung für dieses Lüftungssystem genau hingeschaut werden: Aufenthaltsräume von Wohnungen haben einen Lüftungsbedarf, der durch die Einzelraum-Lüftungsgeräte abgedeckt werden muss und diese Belüftung muss bei einer Schallemission erfolgen, die für die Nutzerinnen und Nutzer zumutbar ist und nicht zu einem Abschalten der Lüftungsgeräte führt.

Tabelle 1 zeigt den Lüftungsbedarf eines Schlafzimmers bei Ein- bzw. Zwei-Personenbelegung nach DIN EN 16798-1 /5/. Soll im Schlafraum ein CO2-Gehalt der Raumluft von 1.000 ppm nicht überschritten werden, ist bei einem CO2-Gehalt der Außenluft von 415 ppm je Person ein Außenluftvolumenstrom von 23 m³/h notwendig.

1 - Bild: HUSS-MEDIEN GmbH

DIN 1946-6 /6/ fordert für Schlafräume einen Mindestaußenluftvolumenstrom in Höhe von 15 m3/h pro Person. Es ergibt sich so im Schlafraum ein CO2-Gehalt der Raumluft von ca. 1.300 ppm. Bei einer Belegung mit zwei Personen muss das Lüftungsgerät also mindestens 30 m³/h Außenluft in das Schlafzimmer einbringen.

Push-Pull-Lüftungsgeräte werden im Wechselbetrieb betrieben, es wird nur die Hälfte der Zeit Außenluft in den Schlafraum gefördert. Die andere Hälfte der Zeit läuft das Lüftungsgerät im Abluftbetrieb. Sollen 30 m3/h Außenluft in ein Schlafzimmer gefördert werden, muss das Lüftungsgerät im Zu- und im Abluftbetrieb jeweils 60 m3/h Luft fördern.

Bei der Auswahl der Lüftungsgeräte muss deshalb darauf geachtet werden, dass sie einerseits in der Lage sind, diesen Volumenstrom zu fördern und anderseits dabei auch die Anforderungen an die Geräuschemission im Schlafzimmer einhalten.

Auch wenn die DIN 4109-1 /7/ für Lüftungsgeräte als Mindestanforderung einen Schalldruckpegel von 35 dB (Dauergeräusche ohne auffällige Einzeltöne) erlaubt, könnten die erhöhten Anforderungen der DIN 4109-5 /8/ zum Tragen kommen. Diese erlaubt nur noch einen Schalldruckpegel von 30 dB (Dauergeräusche ohne auffällige Einzeltöne), wobei diese Norm explizit auf die Anforderung der DIN 1946-6 an den Lüftungsbedarf in Schlafräumen von 15 m3/h pro Person verweist, bei dem dieser Schalldruckpegel einzuhalten ist.

Natürlich gelten die Anforderungen an den Außenluftbedarf und die Schallemission in den Wohnraum auch für alle anderen dezentralen Lüftungssysteme.

Einzelraum-Lüftungsgeräte mit Zu- und Abluftventilator müssen für eine Eignung im Schlafzimmer nur den nötigen Außenluftvolumenstrom von 30 m3/h fördern, die Schallemission erfolgt hier jedoch durch zwei Ventilatoren. Können an ein Einzelraum-Lüftungsgerät Zu- bzw. Abluftleitungen angeschlossen werden, muss bei der Betrachtung der Schallemission des Lüftungsgeräts der Lüftungsbedarf aller über dieses Gerät belüfteten Räume berücksichtigt werden. Wird neben dem Schlafraum auch ein fensterloses Bad belüftet, muss das Lüftungsgerät den Abluftvolumenstrom nach DIN 18017-3 im Bad gewährleisten.

Wohnungszentrale Lüftungsgeräte decken den Lüftungsbedarf für die gesamte Wohnung ab. Über die Luftleitungen und optionale Schalldämpfer kann die Geräuschemission in den einzelnen Zu- bzw. Ablufträumen begrenzt werden. Am Aufstellort des Lüftungsgeräts muss jedoch ebenfalls die Geräuschemission den Anforderungen genügen. Eine Montage des Lüftungsgeräts in der Außenwand ist sicher einfacher herzustellen, dabei wird jedoch der Geräteschall direkt in den Raum eingetragen. Aufwändiger, schalltechnisch aber besser ist die Montage in der Vorwandinstallation, der abgehängten Decke oder in einem Küchenschrank. Durch diesen Einbau kann die Schallabstrahlung des Geräts wirksam minimiert werden.

Zusammenfassung

Dezentrale Wohnungslüftungssysteme sind eine gute Möglichkeit bei der Modernisierung im Bestand den Lüftungsbedarf in Wohnungen zu gewährleisten.

Mit dezentralen Lüftungsgeräten kann eine individuelle Lüftung einzelner Räume erfolgen, bei der Auswahl muss sowohl der Außenluftbedarf der Nutzer und Nutzerinnen, als auch die Geräuschemission der Lüftungsgeräte berücksichtigt werden.

Paarweise arbeitende Lüftungsgeräte (Push-Pull-Geräte) fördern nur die Hälfte der Zeit Außenluft in den Raum, dies ist bei der Auslegung und der Auswahl der Lüftungsgeräte zu beachten.Dezentrale Lüftungsgeräte mit der Möglichkeit über Luftleitungen andere Räume der Wohnung zu belüften, reduzieren die Anzahl der notwendigen Lüftungsgeräte und arbeiten nach dem Prinzip der zweifachen Nutzung der Außenluft.

Wohnungszentrale Lüftungsgeräte belüften die gesamte Wohnung, über die Luftleitungen und Schalldämpfer kann die Geräuschemission in den Zu- und Ablufträumen reduziert werden. Im Aufstellbereich des Lüftungsgeräts müssen Maßnahmen getroffen werden, um die Schallabstrahlung des Lüftungsgeräts zu begrenzen.

Es kann nicht häufig genug darauf hingewiesen werden, dass für die Lüftungsgeräteauswahl und Auslegung des Lüftungssystems verlässliche Produktangaben aus herstellerunabhängigen Prüfzeugnissen bzw. allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen vorliegen müssen.

 

Zitate/Regelwerke und Literatur

  • /1/ FGK/BDH, Entwicklung des deutschen Markts für Wohnungslüftung (fehlt noch)

  • /2/ DIN 18017-3:2020-05 Lüftung von Bädern und Toilettenräumen ohne Außenfenster – Teil 3: Lüftung mit Ventilatoren, Beuth Verlag GmbH, Berlin

  • /3/ DIN EN 12831-1:2017-09 Energetische Bewertung von Gebäuden – Verfahren zur Berechnung der Norm-Heizlast – Teil 1: Raumheizlast, Beuth Verlag GmbH, Berlin

  • /4/ Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Lüftungsanlagen (Muster-Lüftungsanlagen-Richtlinie M-LüAR), 30.4.2021, Fachkommission Bauaufsicht der Bauministerkonferenz

  • /5/ DIN EN 16798-1:2022-03, Energetische Bewertung von Gebäuden –Lüftung von Gebäuden – Teil 1: Eingangsparameter für das Innenraumklima zur Auslegung und Bewertung der Energieeffizienz von Gebäuden bezüglich Raumluftqualität, Temperatur, Licht und Akustik, Beuth Verlag GmbH, Berlin

  • /6/ DIN 1946-6:2019-12 Raumlufttechnik – Teil 6: Lüftung von Wohnungen – Allgemeine Anforderungen, Anforderungen an die Auslegung, Ausführung, Inbetriebnahme und Übergabe sowie Instandhaltung, Beuth Verlag GmbH, Berlin

  • /7/ DIN 4109-1:2018-01, Schallschutz im Hochbau – Teil 1: Mindestanforderungen, Beuth Verlag GmbH, Berlin

  • /8/ DIN 4109-5:2020-08, Schallschutz im Hochbau – Teil 5: Erhöhte Anforderungen, Beuth Verlag GmbH, Berlin

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Dipl.-Ing. Oliver Solcher

Dipl.-Ing. Oliver Solcher
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Dezentrale Lüftung mit Wärmerückgewinnung
Seite 14 bis 17
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