Digitalisierung als Kerninteresse für die Real Estate Branche
Die technische Gebäudeausstattung muss ein stetig wachsendes Anforderungsspektrum bewältigen. Dabei nehmen auch die Anzahl und Vielfalt der vernetzten Geräte und Sensoren zu. Gleichzeitig verhindert die technische Heterogenität des betreuten Gebäudeportfolios eine Vorfestlegung auf bestimmte Hersteller und/oder Systeme bei anstehenden Modernisierungsmaßnahmen. Die Wirtschaftlichkeit vorhandener Systeme spielt ebenfalls eine erhebliche Rolle. Dabei entwickelt sich das Internet of Things (IoT) im Hinblick auf Technik und Einsatzspektrum konstant weiter. Auch die Nutzung und Frequentierung von Gebäuden kann durch veränderte Rahmenbedingungen (z. B. aufgrund der Corona-Pandemie) beeinflusst werden. Dennoch steht heute schon fest, dass das Internet der Dinge erheblichen positiven Einfluss auf die Energieeffizienz im Immobiliensektor haben wird. Es kommt primär darauf an, ob und wie die Heterogenität der Technik in den Griff bekommen wird.
Effizienz verlangt intelligente Gebäude
In Deutschland und Europa haben Gebäude haben einen Gesamtanteil von 30 % am Gesamtenergieverbrauch. Allein in Deutschland müssen bis 2030 zusätzlich 17 Mio. t CO2 eingespart werden. Dementsprechend nimmt der Gesetzgeber die Gebäude auch beim Thema Environmental Social Governance (ESG) zunehmend in den Blick. Gleichzeitig steigen auch die Energiepreise kontinuierlich an und erhöhen das Interesse der Eigner oder Mieterschaft an Einsparpotenzialen: Laut einer Analyse des Fraunhofer Instituts für Bauphysik (IBP) lassen sich, je nach Alter des Gebäudes, bis zu 36 % des Energieverbrauchs einsparen. Die Technologiestiftung Berlin ordnet bis zu 26 % des Sparpotenzials allein dem Bereich der Heizungsanlagen zu. Mit den Möglichkeiten, die das Internet of Things bereits jetzt eröffnet, können vielseitige Verbrauchsoptimierungen vorgenommen werden, die sich direkt in der CO2-Bilanz eines Gebäudes sowie auch in den Betriebskosten niederschlagen. Darüber hinaus lassen sich viele Prozesse optimieren, wie z. B. in der Instandhaltung, Reinigung, Kantinenplanung oder Gebäudesicherheit.
Optimierungsbeispiel Heizungs- und Lichtnutzung
In gewerblich genutzten Objekten wie Bürohäusern oder Shoppingmalls wird nicht rund um die Uhr und an jeder Stelle dieselbe Heizleistung oder Beleuchtungskapazität benötigt. Mit einer intelligenten Softwarekomponente in der Gebäudeleittechnik kann hier sehr viel flexibler auf Umfeldbedingungen reagiert werden. Die Sensoren, die sie messen, gibt es bereits mit verschiedensten Standortbedingungen und sie senden Informationen zu Personenflüssen, Raum- und Sitzplatzbelegungen, eingestellten Temperaturpräferenzen der Gebäudenutzer, aktuellen Innen- und Außentemperaturen, Anlagenfunktionalität, Gerätenutzungen und vielem mehr. Mit solchen Informationen zur Hand kann ein Gebäude bereits viel bedarfs- und nutzungsabhängiger gesteuert werden. Ein weiteres Level in der intelligenten Steuerung stellen selbstlernende Algorithmen dar, die auf Basis der IoT-Rohdaten etwa erlernen, wie die Innenraumtemperatur eines Gebäudes sich mit der Zahl der darin befindlichen Personen oder mit der Sonnenscheinintensität verändert. Man kann sich leicht vorstellen, dass Gebäude mit einer Glasfassade hier eine andere Dynamik aufweisen als Gebäude im Backsteinbau. Unter Berücksichtigung all dessen kann z. B. ein Überheizen wesentlich besser vermieden und der CO2-Fußabdruck entscheidend verbessert werden.
Die Vielzahl der Daten nutzbar machen
Ein Gebäude kann bei intelligenter Ausstattung mit IoT-Sensoren rund um die Uhr und an 365 Tagen im Jahr eine große Datenmenge liefern, die für unterschiedlichste Anwendungsfälle gesammelt, verknüpft und genutzt werden können. Die Daten werden – je nach vorhandener Netzwerkinfrastruktur – über kabelgebundene oder kabellose Protokolle für verschiedene Gebäudemanagementsoftware verfügbar gemacht. Dort können diese Informationen anschließend mit externen oder bereits angereicherten Daten wie Wetterdaten und -prognosen, Energiekosten oder Buchungsdaten verknüpft werden. Diese Art von Software kann anhand der Daten aktuelle Gebäudenutzungs- und Energieverbrauchsprofile ausgeben, gegensteuern, optimieren, eskalieren und automatisierte Benachrichtigungen oder Warnungen auslösen. Die enge Verknüpfung von Sensorik, Steuerungssoftware und Aktorik lässt sich von außen sehr gut am Beispiel motorgetriebener Jalousien beobachten, die mit ihrem Öffnungsgrad die Raumtemperatur regulieren. Smart Buildings machen es nicht nur möglich, Energiekosten zu sparen oder die Wohn- und Arbeitsatmosphäre zu verbessern, sondern auch wertvolle Personalressourcen zu schonen. Viele Routinetätigkeiten und -prüfungen, die bis dato manuell vor Ort ausgeführt werden mussten, lassen sich automatisieren. Mitarbeiter können sich auf Aufgaben mit höherem Wertschöpfungspotenzial konzentrieren, Wartungs- und Instandsetzungsintervalle an die tatsächlichen Verschleiß- und Verbrauchsdaten angepasst werden.
Herausforderung: Komplexität der Sensorlandschaft
Trotz aller offensichtlichen Vorteile, Einspar- und Optimierungspotenziale hält ein IoT-basiertes Smart Building auch etliche Herausforderungen bereit. Das Hauptproblem erwächst aus der Notwendigkeit, die Vielzahl unterschiedlicher Systeme, Geräte, Sensoren, Protokolle und Datenformate anbinden und zentral managen zu müssen. Andernfalls lassen sich die positiven Effekte nicht ansatzweise ausschöpfen. Gerade kleine und mittelständische Anbieter von Gebäudemanagementsoftware verfügen aber oftmals weder über das Budget noch die Fachressourcen, die erforderlichen Schnittstellen selbst zu entwickeln und zu betreiben.
Spezialisierte und herstellerübergreifende IoT-Plattformen können die benötigten Kompatibilitäten oft aus einer Hand anbieten. Als Spezialisten für das Entwickeln und Managen von Integrationen stellen sie – zum Beispiel für Anbieter von Computer-Aided Facility Management (CAFM) Software – passende „Konnektoren“ zu allen benötigten IoT-Geräten in den jeweiligen Gebäuden bereit. Sie erlauben es, sich vollumfänglich auf ihre Endkunden und den Ausbau ihrer Softwarefunktionalitäten zu fokussieren.
Da bereits heute Prozesse in der Gebäudebewirtschaftung auf Softwareintegrationen, Workflow-Automationen und Optimierungsalgorithmen aufbauen, lohnt sich insbesondere auch der Blick auf offene Ökosysteme, die in der Lage sind, neben der Kompatibilität auch die passenden Softwarebausteine (z. B. zum Erstellen und Managen von Automationsroutinen) und Optimierungsalgorithmen mit anzubieten. Die ausgewiesenen Innovatoren der Facility Management Branche – einschließlich des CAFM-Bereichs – basieren ihre zukunftsorientierten Lösungen schon jetzt auf diesen Bausteinen, um das Momentum bei der Gebäudedigitalisierung zu nutzen und zeitnah und effizient eigene Lösungen anbieten zu können.
Daher empfiehlt sich der gesamten Branche ein ressourcen- und ergebnisorientierter Blick auf in Frage kommende IoT-Plattformen unter der „Make, Buy or Cooperate“-Prämisse. Nach einer eingehenden Analyse der jeweiligen (und zukünftigen) Rahmenbedingungen, der spezifischen Bedürfnisse sowie der verfügbaren Kapazitäten lässt sich dann eine Vorgehensweise extrahieren, die das Auftreten unerwarteter Hindernisse, Sackgassen und Kostentreiber erheblich reduziert.
Tilmann Rohlf
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