Hybrides Projektmanagement – Teil 1

Einsatz von Prozessmodellen und Projektboards

Die Anforderungen an die Planung und den Bau von Gebäuden steigen kontinuierlich. Dies zeigt sich etwa in kürzeren Planungszeiten, größeren interdisziplinären Projektteams sowie komplexeren technischen Lösungen.Ein TGA-Planungsbüro führt Methoden des Projektmanagements zu einem Lean Management des Planungsprozesses zusammen.
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Abbildung sämtlicher Planungsprozesse in Know&Share Bild: Schwanitz/Tecklenborg
Abbildung sämtlicher Planungsprozesse in Know&Share Bild: Schwanitz/Tecklenborg

In den meisten TGA-Planungsbüros fehlen noch die passenden Projektmanagementmethoden zur Abwicklung komplexer Projekte. Steigende Kosten, Terminverzögerungen, geminderte Bauqualitäten und sinkende Kundenzufriedenheit sind die Folge. Seit einigen Jahren beginnt die Baubranche jedoch umzudenken und die Ursachen zu bekämpfen. Zudem erkennt man, dass die Anwendung der HOAI für den interdisziplinären Planungs- und Bauprozess nicht mehr zeitgemäß ist. Mit der Digitalisierung ergeben sich überdies neue Ansätze und Methoden.

Lean Management in die Bauplanung

Neu errichtete Gebäude sind heute hochkomplexe technische Systeme, die eher mit Automobilen gleichzusetzen sind als mit klassischen Bauwerken aus Beton und Stahl. Der technischen Gebäudeausrüstung kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Vergleicht man jedoch die Automobilbranche mit der Baubranche, zeigen sich elementare Unterschiede. So etablierte sich in ersterer schon seit Ende der 70er Jahre mit Lean Production ein Produktionssystem mit dem Ziel, Prozesse konsequent auf die wertschöpfenden Tätigkeiten für den Kunden auszurichten und jegliche Verschwendung im Unternehmen zu eliminieren. Gleichzeitig wurde eine positive Fehlerkultur mit einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) implementiert, der eine stetig steigende Effizienz und Wertschöpfung bei gleichzeitiger Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit generiert. Für die Überwachung und Steuerung der Produktionssysteme werden innovative Projekt- und Multiprojektmanagement-Systeme eingesetzt und als wesentliche Unternehmensressource(!) verstanden.

Diese Entwicklung hat die Baubranche in vielen Teilen noch vor sich. Lean Construction beinhaltet die Übernahme der Methoden und Instrumente des Lean Management (vgl. /2/, S. 79). Hierbei steht der eigentliche Bauprozess im Fokus. Für die vorgelagerten Planungsphasen von Architektur, Statik und TGA im Sinne eines Lean Planning gibt es nur erste Ansätze. Dieses Entwicklungspotenzial machte sich die Köster Planung GmbH, ein klassisches TGA-Planungsbüro der Köster-Gruppe, im Rahmen eines Projekts zunutze. Methoden aus dem eher auf Standardisierung ausgerichteten Prozessmanagement wurden mit agilem Projektmanagement „hybrid“ so zusammengeführt, dass auch in der Planungsphase von Bauvorhaben die Vorteile einer Lean Management Philosophie genutzt werden können.

Aufnahme und Modellierung von Planungsprozessen

In einem ersten Schritt wurden zunächst sämtliche TGA-Planungsabläufe - unterteilt nach Projektarten und Teilprozessen - über die Post-It Methode in Workshops aufgenommen und anschließend in digitale Prozessmodelle übertragen. Als Modellierungsmethode kam dabei die Multidimensionale Prozessnotation (MPN) zum Einsatz, die sich als besonders flexibel und einfach zu vermitteln herausstellte (vgl. /4/, S. 252). Sie ist tabellarisch aufgebaut und zeigt die einzelnen Prozessschritte in der ersten Spalte. Den im Prozess involvierten Organisationseinheiten werden mit nur vier Symbolen (Verantwortung, sonstige Einbindung, Entscheidung, Start/Ende) Rollen zugewiesen und mit Pfeilen so verbunden, dass diese eine Flussrichtung ergeben. Einer der größten Vorteile der MPN liegt darin, dass man die Tabelle mit weiteren Spalten flexibel ergänzen kann und so zusätzliche Dimensionen, Informationen oder Medien (Bilder, Videos, Formulare, Dokumente) zum jeweiligen Prozessschritt erhält (vgl. /3/, S. 294).

Die Implementierung erfolgt mit dem prozessorientierten Wissensmanagementsystem Know&Share, in dem TGA-Prozesse systematisch aufbereitet, die Rollen der Prozessbeteiligten definiert und die zugehörigen Beschreibungen und Vorlagedokumente je Prozessschritt verlinkt sind.

Ein wesentliches Merkmal des Konzepts ist die eindeutige Zuweisung eines Prozess-Elements zu einem Arbeitspaket. So ist beispielsweise dem Prozessschritt „S&D Planung statisch prüfen“ die ID 04.05. zugeordnet. So können die Arbeitspakete für neue Projekte dann automatisiert aus den aufgenommenen Prozessmodellen generiert werden und nur die Anzahl der Pläne (z. B. der Grundrisse) muss projektspezifisch angepasst werden. In den Projekten wird eine hohe Standardisierung erreicht. Daraus resultieren definierte, für alle verfügbare und transparente Prozesse, die die berechtigten Mitarbeiter bei Änderungsbedarfen außerdem im Rahmen eines KVPs jederzeit direkt anpassen können und sollen.

Shopfloor-Management mit Projektboard

Die Entwicklung des für das Projektmanagement zentralen Projektboards basiert auf den Prinzipien des Shopfloor-Managements (SFM), das ein für alle Beteiligten sichtbares und standardisiertes Führen am Ort der Wertschöpfung ermöglicht (vgl. /1/, S. 8). Für jedes Projekt wird daher ein solches ca. 3,0 m ×1,5 m großes Whiteboard eingerichtet, das für jeden zugänglich und sichtbar den aktuellen Projektstatus an extra dafür eingerichteten Stellen im Großraumbüro zeigt. Durch die haptische, analoge Umsetzung wird sichergestellt, dass die Mitarbeiter jederzeit sowohl ihre Aufgaben als auch das Gesamtprojekt im Blick haben.

Im Mittelpunkt des Projektboards steht eine Dreiwochenvorschau mit geplanten sowie in Bearbeitung befindlichen Arbeitspaketen in Form von stabilen Karten auf Karton. Die Kartenfarbe zeigt die Zugehörigkeit zu einem Gewerk an. Außerdem enthalten sie neben dem QR-Code mit der ID noch weitere Informationen über Arbeitsaufgabe, Fertigstellungstermin, Verantwortliche sowie Bearbeitungsstatus.

Unterhalb der Dreiwochenvorschau im Projektboard befinden sich Verhaltensregeln, Anwesenheitsliste sowie ein Phasenplan, der die gesamte Projektlaufzeit mit Projektphasen und den zugehörigen Meilensteinen zeigt. Zur Befestigung und zum Symbolisieren verschiedener Status der Arbeitspaket-Karten stehen Magnete in den Signalfarben grün, gelb und rot sowie verschiedene Informationspfeile zur Verfügung. Im Board rechts werden im Bedarfsfall Eskalationen und KVP-Themen nach dem PDCA (Plan, Do, Check, Act)-Prinzip verfolgt.

Die Aktualisierung der Projektboards erfolgt in Form von Projektstehungen mit allen verantwortlichen Mitarbeitern und einer maximalen Dauer von 15 min, ohne dass fachliche Themen diskutiert werden. Diese sollen im Rahmen von separaten Projektgesprächen behandelt werden. Je nach Projektgröße finden die Projektstehungen zwei bis fünf Mal pro Woche statt. Ziel ist, im Projektteam einen Überblick über den aktuellen Bearbeitungsstatus zu behalten und bei Abweichungen flexible und verbindliche Maßnahmen zu vereinbaren.

Termincontrolling bei agilen Projektmethoden mit QR-Codes

Agile Projektmethoden wie SCRUM oder Shopfloor-Management-Systeme weisen neben unbestrittenen Vorteilen erhebliche Nachteile für das (Termin-)Controlling auf. Auch wird das Lernen aus Projekterfahrungen erschwert, da der Gesamtüberblick über die komplette Projektstrecke verloren geht. Der hohen Flexibilität bei den Stehungen durch physisches Verschieben der Arbeitspakete steht ein bislang unwirtschaftlicher Aufwand beim vollständigen Tracking der Termine gegenüber. Teilweise wird eine manuelle Nacherfassung der Verschiebungen vorgenommen, in den meisten Fällen unterbleibt jedoch eine Aufnahme. Nach der Devise „What you can’t measure you can’t manage!“ wurde deshalb eine innovative und praktische Lösung entwickelt: Sämtliche Messparameter (z. B. Datum, Zeit, Status, Arbeitspakete) sind mit einem QR-Code ausgestattet, so dass die Aufnahme sämtlicher Daten mit einem handelsüblichen Handscanner innerhalb von max. 5 min pro Board erledigt ist.

Angelehnt an eine Meilenstein-Trend-Analyse wird für die KPIs Zeiten und Termine ein einfaches und übersichtliches Instrument zur Terminüberwachung verwendet. Aktuelle Ist-Termine werden mit den Soll-Terminen verglichen und analysiert, wie sich Abweichungen auf den Projektfortschritt auswirken. Es zeigt nicht nur Verzögerungen frühzeitig zum Gegensteuern an, sondern beinhaltet die gesamte und lückenlose Änderungshistorie seit Projektstart.

Das Projektmanagement mit dem Projektboard und der Projektstehung wurde bereits in über zehn Projekten erfolgreich im Unternehmen angewendet und hat sich fest etabliert. Das Projekt wird für alle transparent und einfach dargestellt, daraus resultiert ein deutlicher Mehrwert zur Überwachung und Steuerung. Durch die Projektstehungen sank zudem die Anzahl von informellen Gesprächen im Projekt deutlich.

Hybrides Projektmanagement – Teil 2: Hybrides Multiprojektmanagement mit einem Leitungsboard als zentralem Instrument erscheint in der Aprilausgabe der MGT.

Literatur

Literaturhinweise

  • /1/ Brenner, J.: Shopfloor Management und seine digitale Transformation: Die besten Werkzeuge in 45 Beispielen, München 2019

  • /2/ Fiedler, M.: Lean Construction – das Managementhandbuch:
Agile Methoden und Lean Management im Bauwesen, Berlin 2018

  • /3/ Schwanitz, J. et al.: Tool-Based Management. In: Ziegenbein, R., Hrsg., Handbuch Lean Konzepte für den Mittelstand, Münster 2014

  • /4/ Ziegenbein, R., Hrsg. 2014: Handbuch Lean Konzepte für den Mittelstand, Münster 2014

M. Eng., Tim Tecklenborg

M. Eng., Tim Tecklenborg

Dipl. Wirt.-Ing. Prof. Dr. Johannes Schwanitz

Dipl. Wirt.-Ing. Prof. Dr. Johannes Schwanitz
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· Artikel im Heft ·

Einsatz von Prozessmodellen und Projektboards
Seite 37 bis 39
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