Für hohe Trinkwassergüte

Hydraulische Herausforderung

Die „Palatin Hausverwaltungen“ betreibt 4.000 Wohn- und Gewerbeeinheiten in rund 170 Objekten und ist damit unter den Miet- und Hausverwaltern ein echtes Schwergewicht auf dem Immobilienmarkt. Nicht außergewöhnlich, dass an den Standorten permanent kleinere Arbeiten anfallen.

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Der Gebäudekomplex in Schriesheim umfasst sechs Mehrfamilienhäuser. Die Herausforderung bestand darin, trotz der Weitläufigkeit des Rohrleitungssystems einen hydraulischen Abgleich zu erzielen. Bild: GF Piping Systems
Der Gebäudekomplex in Schriesheim umfasst sechs Mehrfamilienhäuser. Die Herausforderung bestand darin, trotz der Weitläufigkeit des Rohrleitungssystems einen hydraulischen Abgleich zu erzielen. Bild: GF Piping Systems

Doch dann das: Ausgerechnet für den sieben Mehrfamilienhäuser umfassenden Gebäudekomplex in Schriesheim überbrachte das Trinkwasserlabor die Hiobsbotschaft: Legionellen im Trinkwasser! Die Konsequenz: Duschverbot für die rund 120 Bewohnerinnen und Bewohner der 70 Wohneinheiten. Bei der Suche nach technischen Lösungen für die Sicherstellung der Trinkwasserhygiene entschieden sich die Verantwortlichen für eine nachhaltige Lösung – Das „Hycleen Automation System“ von GF Piping Systems (GF), einem Zirkulations-Regelsystem zur Hygiene-Automation.

Legionellen finden optimalen Nährboden in Altbeständen

Laut geltender Richtlinien wie der Trinkwasserverordnung ist für die Trinkwasserhygiene im Inneren eines (Wohn-)Gebäudes nicht der Wasserversorger, sondern stets der Eigentümer oder Betreiber zuständig. Die Grundvoraussetzungen für hygienisch einwandfreies Trinkwasser sind ein funktionierender hydraulischer Abgleich, die verlässliche Vermeidung von Wasser-Stagnation in kritischen Bereichen, ein konstantes Temperaturniveau, ein möglichst geringer Wasserinhalt in den Leitungen sowie ein regelmäßiger Austausch des Inhaltes der Installation.

Diese Bedingungen waren im konkreten Fall in Schriesheim aufgrund des weitläufigen Altbestandes nicht vollständig erfüllt, was die Bildung eines Biofilmes und die Entwicklung von Legionellen in den Rohrinnenwandungen begünstigte. „Die Warmwassertemperaturen wurden nicht gleichmäßig im Objekt verteilt, in den letzten Leitungssträngen ergaben die vorherigen Analysen durch ein Labor eine Temperatur teilweise von nur noch um die 40 Grad Celsius. Damit lag sie deutlich unter 55 Grad Celsius, die laut Trinkwasserverordnung nicht unterschritten werden dürfen. Denn gerade im Bereich 25 bis 50 Grad Celsius wachsen Legionellen ideal“, erinnert sich Thorsten Peinelt, Projektvertrieb Haustechnik in der Region Süd bei GF. Wie in vielen Fällen wurde dies leider auch erst erkannt, als es bereits zu spät und ein Teil der Installation schon kontaminiert war. Das kann für die Bewohnerinnen und Bewohner des Wohnkomplexes eine ernste Gefährdung ihrer Gesundheit darstellen, sodass die Hausverwaltung Palatin sofort reagierte und in Abstimmung mit dem Gesundheitsamt Präventivmaßnahmen einleitete.

Hydraulischer Abgleich zur Sicherung der Trinkwasserhygiene

„Um einem Legionellenbefall präventiv vorzubauen, sind stetige Temperaturüberwachungen und eine gleichmäßige Temperaturverteilung im Warmwasserkreislauf wichtig“, sagt Peinelt. Nach einer Vor-Ort-Begehung erstellte GF sein Angebot unter Benennung des Ingenieursbüros Stein, erhielt den Zuschlag und begleitete den im April 2020 begonnenen, insgesamt dreimonatigen Montageprozess in Schriesheim komplett. „Die Bedingungen waren herausfordernd“, erinnert sich Peinelt an den Start. „Es gab keine Bestandsunterlagen. Die Analyse der Versorgungs- und Steigleitungen war daher nicht einfach. Die Weitläufigkeit des Objekts sowie des Leitungsnetzes brachte zudem eine unterschiedliche Nutzung der Steigzonen mit sich – eine hydraulische Herausforderung.“

Oberstes Gebot für die Palatin Hausverwaltung: Die Trinkwasserhygiene in der Trinkwasseranlage muss wieder gewährleistet sein. Das „Hycleen Automation System“ mit seinem automatischen hydraulischen Abgleich lieferte zudem aber auch das Potenzial zur deutlichen Aufwandsminimierung bei der Einhaltung der gesetzlichen Betreiberpflichten. Künftig erfolgen Dokumentation und Monitoring der wesentlichen Parameter – etwa Zeiten und Temperaturen – ebenfalls automatisiert. Die komplexe Datenerfassung ermöglicht dem Betreiber zudem schnellen und flexiblen Fernzugriff in die Anlagenhistorie: „Ich bekomme einmal monatlich eine aussagekräftige Auswertung per E-Mail und kann die Kennzahlen auch selbst vor Ort permanent auslesen“, beschreibt Michaela Hartmann Schmitt, zuständige Hausverwalterin von der Palatin Hausverwaltungen GmbH, einen der Vorzüge des neuen Systems. Durch die Optimierung des Anlagenzustands erhöhte sich auch die Energieeffizienz in der Wärmewasseraufbereitung.

Die Wartung erfolgt vollautomatisiert

Im Mai 2020 nahm das Hycleen Automation System seine Arbeit in Schriesheim auf. Es besteht in diesem Fall aus einem zentralen Steuergerät, dem sogenannten Master. Hinzu kommen 37 LegioTherm 2T Zirkulationsventile mit Controller, welche die alten Ventile ersetzen, sowie die gleiche Anzahl an Durchflusssensoren. In die Ventile eingebaute Sensoren liefern die für die Temperaturen notwendigen Messwerte. 4 Unicontroller, 8 externe Temperatursensoren sowie 150 Meter Daten & Kommunikationskabel komplettieren das System. Komfortabel: Alle eingebauten Ventile und Sensoren werden automatisch erkannt und müssen daher nicht mehr vom Betreiber manuell eingestellt werden. Fortan erfolgen permanente Temperaturmessungen durch die Ventile, die die Werte an den Master weiterleiten. Somit stellt das System verlässlich und automatisiert einen optimalen hydraulischen Ausgleich her und sorgt für eine konstant hohe Temperatur von über 55 Grad Celsius in allen Strängen. Die Konsequenz: Keine Chance mehr für schädliche Keime!

Mitlaufende Datenprotokollierung, nachhaltige Temperaturregelung

Die Wartung erfolgt wöchentlich vollautomatisch mit Protokollierung. Das macht die Reinigungs- und Wartungsarbeiten transparent, zuverlässig und vor allem auch nachweisbar für die Palatin Hausverwaltung GmbH. Digital gesteuert ist so eine detaillierte Überwachung der Temperaturen möglich, auch in den Steigzonen. Auf dieser Basis lässt sich die Temperatur, die beispielsweise vom Warmwasserspeicher erzeugt werden muss, dauerhaft auf mindestens 60 Grad Celsius senken. Das ist deutlich energiesparender, als wenn man das Wasser im gesamten System aufgrund eines schlechten, beziehungsweise nicht ausreichenden hydraulischen Abgleichs durch überhöhte Temperaturen im Speicher – deutlich über 60 Grad Celsius – auf einem sicheren Niveau halten würde. GF verfolgt das Projekt seitdem regelmäßig und berichtet einmal monatlich über den aktuellen Stand. Das soll vorerst auch so bleiben: „Wir verlängern die Kooperation. Denn für uns handelt es sich um die erste Anlage in dieser Größenordnung, die wir auch nutzen wollen, um wertvolle Erfahrungen mit dem Hycleen Automation System zu sammeln“, richtet Peinelt den Blick nach vorne. Ein zusätzlicher Baustein, der zur weiteren Reduzierung der Energiekosten beitragen wird: GF will am Standort mit Zirkulationspumpen arbeiten, um die Speichertemperatur zu verringern und damit einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit zu leisten.

Spezielles Tool zur „doppelten Absicherung“

Zur Wartung und Kontrolle greift die Hausverwaltung mit einem Tool von GF („Hycleen Connect“) über Fernzugriff auf die Anlage zu. Dadurch können die Zirkulations- und Rücklauf- Temperaturen sowie die Warmwasserwerte 24/7 überwacht werden. Bisher verlangte das Ablesen von Informationen über den Systemzustand eine Person vor Ort – das spart jetzt erheblich Aufwand. Mithilfe des Tools konnte zum Beispiel festgestellt werden, dass das Warmwasser in einem Leitungsstrang lediglich auf 25 Grad Celsius kommt. Grund hierfür war schlichtweg ein falscher Anschluss der Leitung, der dank dem Warnsystem schnell behoben war: Die Software erzeugte umgehend eine Fehlermeldung und ein Montagetrupp machte sich auf den Weg in den Rhein-Neckar-Kreis. Kurzum: Das Tool sorgt für eine zusätzliche Absicherung der Trinkwassertemperaturen für den Betreiber und hilft damit präventiv bei der Vermeidung hoher Folgekosten. ⟵

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Hydraulische Herausforderung
Seite 25 bis 27
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