Auf gutem Holzweg

Smarte Technik, Lüftung, Akustik und Beleuchtung für die Schule der Zukunft

2017 startete Berlin eine Schulbauoffensive und investiert seitdem nicht nur in Modernisierung und Neubau, sondern auch in neue Bauweisen. Mit der Integrierten Sekundarschule (ISS) Mahlsdorf im Stadtbezirk Marzahn-Hellersdorf entstand der erste Berliner Schulneubau in Holzmodulbauweise und mit smarten Lösungen.

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Den Vorplatz am Eingangsbereich der Integrierten Sekundarschule Berlin-Mahlsdorf verschönert eine Metallskulptur. Bild: Bärbel Rechenbach
Den Vorplatz am Eingangsbereich der Integrierten Sekundarschule Berlin-Mahlsdorf verschönert eine Metallskulptur. Bild: Bärbel Rechenbach

Nachdem sich der Schulbau in der Hauptstadt 30 Jahre lange im Tiefschlaf befand, werden jetzt bis 2026 in Berlin 38 Neubauten realisiert. Parallel werden Großsanierungsmaßnahmen und 21 Sanierungsbauten in Angriff genommen. Höchste Zeit, denn die Schülerzahlen wachsen derzeit rasant.

Der Schulbau wurde zum zentralen Infrastrukturprojekt und größten Investitionsvorhaben der kommenden Jahre erklärt. Rund 5,5 Mrd. Euro nahm die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung & Wohnen dafür in die Hand. Zehn der Neubauten sollen als Modellprojekte zeigen, wie smarte und wirtschaftliche Lösungen auch im Schulbau funktionieren können. Die Integrierte Sekundarschule (ISS) Mahlsdorf steht als erster Beweis. Schon nach knapp elf Monaten war sie fix und fertig gebaut. Das ist Hauptstadtrekord!

Baudaten

Bauherr: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung & Wohnen, Berlin

Arge: NKBAK, Frankfurt am Main, Tragwerksplanung und Bauphysik Bollinger + Grohmann Ingenieure, Frankfurt am Main

Tragwerksausführung: merz kley partner, Dornbirn, Österreich

Haustechnik: Ecotec GmbH, Bremen

Landschaftsarchitektur: Franz Reschke Landschaftsarchitektur, Berlin

Generalunternehmer: Kaufmann-Bausysteme, Reuthe, Österreich

Brandschutz: Wagner Zeitter Ingenieure, Wiesbaden

Bauleitung: pcb Architekten, Berlin, Martin Putzmann

Planung: 2017 bis 2018

Realisierung: 2018 bis 2019

Grundfläche: 3.030 m²

BGFSchulgebäude: 8.900 m²

BGF Sporthalle: 1.800 m²

Bauart: Raummodulbauweise aus Brettsperrholz

Hinter dem erfolgreichen Projekt stehen das Gemeinschaftsteam Architektenbüro NKBAK, das Ingenieurbüro Bollinger + Grohmann (Tragwerksplanung und Bauphysik) sowie Kaufmann-Bausysteme GmbH aus Reuthe im österreichischen Voralberg.

Die Österreicher gelten als Vorreiter in der Branche und perfektionieren seit Jahren ihr schnelles und zugleich ökologisches Holz-Baukastensystem für mehrstöckige Schulgebäude. Alle 290 Module wurden im Werk vorgefertigt und dann im Lager Berlin-Köpenick mit Heizkörpern, Leuchten und Steckdosen versehen. Schnell, passgenau und sauber konnten die Module dann „just in time“ auf der Baustelle montiert werden, täglich zehn davon.

Positiv auf das Tempo wirkte sich auch die frühzeitige enge planerische Zusammenarbeit unterschiedlicher Beteiligter aus – angefangen von Architekten und Fachplanern über die Haustechnik bis hin zur Werkstattplanung. „Diese Arbeitsweise muss sich künftig durchsetzen, denn sie zahlt sich aus“, bestätigt Prof. Dr.-Ing. Achim Vogelsberg aus dem Büro Bollinger + Grohmann. „Dadurch wächst das Verständnis aller für holzspezifische Lösungen, Chancen, Risiken. Diese lassen sich früh in die Planung integrieren. Das vereinfacht und verkürzt Abläufe.“

Jedes der Raummodule misst 2,86 m in der Breite, 8,6 m in der Länge und 3 m in der Höhe. Jeder der 32 Klassenräume setzt sich aus jeweils drei davon zusammen. „Das Aussteifen der Gebäude übernehmen die vielen tragenden Wände. Es gibt keine Vorsprünge, was die Tragwerksplanung sehr erleichterte“, so der Planer. „Da sich alle Module gleichen, wiederholen sich Geometrien. Das schafft Tempo. Sicher ist der Modulbau nicht das Nonplusultra, aber für Schulen oder Wohnheime z. B. bestens geeignet, da sie sich nicht nur schnell montieren, sondern einfach wieder demontieren lassen, wenn der Bedarf wechselt.“

Für die Module kamen hauptsächlich Brettsperrholzplatten in Standard-Sichtqualität zum Einsatz, 3-Schicht- und OSB-Platten sowie Buchen-Furnierschichtholz. Die Wände bestehen aus Fichte, die Träger aus Buche. Der gesunde Rohstoff Holz sorgt für das Wohlbefinden an der Schule und verbessert zugleich deren Ökobilanz und das Stadtklima. Für eine Schule in Holzbauweise werden bei verbauten 750 m3 Holz etwa 750 t CO2 eingespart. Sicher ein Grund, warum nach Mahlsdorf gleich noch zwei Grundschulen in Lichtenberg mit Holz und dem gleichen Team entstanden.

Modellprojekte der Berliner Schulbauoffensive 2017 – 2023:

Neubau Grundschule, Chausseestraße (Europacity, Mitte) Numrich Albrecht Klumpp Gesellschaft von Architekten

Neubau Grundschule, Pufendorfstraße (Friedrichshain-Kreuzberg)Numrich Albrecht Klumpp Gesellschaft von Architekten mit KuBuS Freiraumplanung (beide Berlin)

Erweiterung Jeanne-Barez-Grundschule (Pankow) Gerhard Feuerstein (Lindau) mit HinnenthalSchaar LandschaftsArchitekten (München)

Erweiterung Panke-Schule (Pankow)BLK2 Böge Lindner K2 Architekten (Hamburg) mit Bruun & Möllers (Hamburg)

Neubau Heinrich-Böll-Oberschule (Spandau)Kummer.Lubk.Partner (Erfurt) mit Grün + Bunt (Berlin)

Erweiterung und Umbau Wolfgang-Borchert-Schule (Spandau)mvm+starke architekten (Köln) mit ClubL94 Landschaftsarchitekten (Köln)

Neubau Grundschule, Goltzstraße (Spandau)Sulitze Muñoz Arquitectos/Magén Architectos (Zaragoza) mit Laura Jeschke Landschaftsarchitektur (Madrid)

Neubau Integrierte Sekundarschule Mahlsdorf (Marzahn-Hellersdorf) – HolzmodulbauweiseARGE ISS Mahlsdorf: NKBAK | B+G Ingenieure | Ecotec | Franz Reschke

Neubau Grundschule, Sewanstraße (Lichtenberg) - HolzmodulbauweiseARGE GRS Lichtenberg: NKBAK | B+G Ingenieure | Ecotec | Franz Reschke

Neubau Grundschule, Konrad-Wolf-Str. (Lichtenberg) – HolzmodulbauweiseARGE GRS Lichtenberg: NKBAK | B+G Ingenieure | Ecotec | Franz Reschke

Gebäudetechnik mit Multimedia vernetzt

So schön wie der langgestreckte dreigeschossige Komplex schon von weitem in der Sonne glänzt, unterscheidet sich die ISS bereits äußerlich von herkömmlichen Schulgebäuden. Vollverglaste Fenster und Türen liegen in einer großflächigen Aluminiumfassade eingebettet und sorgen für viel Transparenz.

Das attraktive Äußere setzt sich im barrierefreien Innenbereich mit breiten, tageslichtdurchfluteten Fluren fort. Zudem gibt es überall Sitznischen fürs Unterrichten oder selbstständiges Arbeiten. Wie Lehrräume und Flure besitzen auch sie WLAN-Anschlüsse, die Schülerinnen und Schülern per Code zugänglich sind. Fachräume mit digitalen Tafeln sowie Hightech-Equipment unterstützen den interaktiven Unterricht. Opake LED-Leuchten im Eingangsbereich und Treppenhäuser mit hohen Beleuchtungsstärken verbrauchen wenig Energie. Zudem sorgen Lichtbandsysteme an der Decke für die Grund- und Tafelbeleuchtung in den Räumen. Sie werden wie die Außen-Jalousien über intelligente KNX-Systeme der Firma Jung aus Schalksmühle automatisch gesteuert. Je nach Sonnenintensität und Jahreszeit schalten sie in den gewünschten Modus. Außerdem lassen sich alle anderen Haus- und Multimediafunktionen mit der intelligenten Gebäudesystemtechnik KNX über eine DALI-Schnittstelle vernetzen und zentral steuern. So können alle Komponenten sicher in einer gemeinsamen „Sprache“ kommunizieren.

Ebenfalls automatisch funktionieren Heizung, Belüftung, Sicherheitstechnik (Transponder) sowie die gesamte LED-Beleuchtung des Komplexes. Lichtschalter fallen hier weg. Hausmeister René Schiller gefällt das: „Wir verfügen über ein Haustechniksystem, das wirklich energieeffizient arbeitet und sich individuellen Bedürfnissen der Schüler und Lehrer anpasst.“

Akustik und Brandschutz

In einer Schule mit regem Personenverkehr kommt es auf optimale Akustik sowie Brandschutz an. In der ISS Mahlsdorf wird beides mittels mineralisch gebundener, schallabsorbierender und nichtbrennbarer Holzwolle-Leichtbauplatten optimiert. 8.290 m2 der Schuldecke und 1.600 m2 der neuen Sporthalle sind mit diesen speziellen Platten versehen. Die 1.200 x 600 x 25 mm großen und nur 1 mm dünnen Akustikplatten Fibro-Kustik Barcelona M bestehen aus dem regionalen Naturmaterial Holzwolle. Sie entsprechen DIN EN 13168 (WWDI dm/WI dm) und sind mit PEFC-Siegel und dem Blauen Engel zertifiziert.

Lüftung

Nicht nur für den Extremfall Corona existiert zudem eine steuerbare Gebäudelüftung, wie René Schiller erklärt. „Zum einen sind alle Fenster manuell zu öffnen. Zum anderen verfügen die Fachräume über horizontal geteilte Fenster, wobei sich der obere Bereich abhängig von der Außentemperatur automatisch öffnet und für die nötige Luftzirkulation sorgt. Das tägliche Lüftungskonzept ist dabei mit dem Stundenplan genau abgestimmt. So fahren in der Pause von 10.30 bis 10.50 Uhr automatisch alle Oberlichtfenster auf und sorgen für Frischluft im Raum. Über die ferngesteuerten Fenster der Nutzräume werden die Gebäude nachts gelüftet und ausgekühlt.“ Um das auch in den Fluren zu gewährleisten, wäre es gut, schlägt Schiller für die Planung künftiger Schulneubauten vor, wenn sich gegenüber der Fensterwand noch ein kleines Fenster für bessere Durchlüftung befände.

Gebäudetechnik-Monitoring

Die ISS wird als Modellprojekt per Monitoring begleitet. Visualisierungen und Auswertung der Energieverbräuche per Smart-Metering werden somit mess- und kontrollierbar. Zwei Wetterstationen auf dem begrünten Dach unterstützen die Datenerfassung und speisen sie in das Gebäudenetz ein. Das Gebäudeklima passt sich so tagesaktuellen Bedürfnissen automatisch an.

Für Schulleiterin Sibylle Fricke zählt neben der modernen Gebäudetechnik auch, wie im neuen Gebäude zeitgemäßer Unterricht stattfinden kann. „Wollen wir eine Schule der Zukunft, brauchen wir noch mehr Flexibilität für unterschiedliche Unterrichtssettings. Die ISS setzt sicher im Berliner Vergleich sehr hohe Maßstäbe und gehört zu den bestausgestatteten Schulen der Stadt. Im Schulbetrieb zeigen unsere Erfahrungen jedoch, dass noch viel mehr drin ist. Scheinbar kleine Details, werden oftmals zum großen Problem. Ein Teilungsraum z. B. zu jedem Klassenzimmer wäre optimal, so dass sich Schüler und Schülerinnen in unterschiedlichen Lernarrangements zusammenfinden können.“ Aus dem täglichen Schulalltag heraus weiß sie auch, wie wichtig vielseitige Ablageflächen und Aufbewahrungsmöglichkeiten für Materialien sind oder leichte Möbel, die sich schnell umräumen lassen, Stehpulte, Lerntheken, damit Lernen in Bewegung möglich ist. Speziell für die Planer bedeutet das: Die Konzepte weiterzuentwickeln, damit moderne Schule stadtweit noch weiter intensiviert wird.

Bärbel Rechenbach

Bärbel Rechenbach
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· Artikel im Heft ·

Smarte Technik, Lüftung, Akustik und Beleuchtung für die Schule der Zukunft
Seite 14 bis 17
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