Faktencheck

Gaskrise: Energie sparen mit abgesenkten Warmwassertemperaturen?

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg empfiehlt angesichts explodierender Gaspreise niedrigere Warmwassertemperaturen als Sparmaßnahme. Dies kann Verbraucherinnen und Verbraucher jedoch extrem gefährden.

Die Absenkung der Trinkwassertemperaturen Warm kann die Gesundheit gefährden. Quelle: stock.adobe.com/Christin Lola
Die Absenkung der Trinkwassertemperaturen Warm kann die Gesundheit gefährden. Quelle: stock.adobe.com/Christin Lola

"Kosten für Warmwasser senken" titelte am Donnerstag eine Pressemitteilung der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Es war nicht nicht die erste dieser Art. Zu den Empfehlungen gehört

  • das Senken der Warmwassertemperatur 60 °C (bzw. von bis zu 70 °C) auf 45 °C,
  • eine zeitliche Begrenzung oder Abschaltung der Zirkulation und
  • der Einbau wassersparender Duschköpfe.

All das ist mindestens mit Vorsicht zu genießen, wenn nicht gar fahrlässig und nach Ansicht von Arndt Bürschgens, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Trinkwasserhygiene und Vorsitzender des Deutschen Vereins der qualifizierten Sachverständigen für Trinkwasserhygiene – DVQST e.V. keine Information, die einem Verbraucher gegenüber publiziert werden sollte.

Die Verbraucherzentrale schließt ihre Empfehlungen zwar mit einem Hinweis auf die Legionellengefahr, rät als Gegenmaßnahme aber lediglich eine "wöchentlich einmalige, kurzzeitige Speichertemperatur von 70 °C" an.

Arndt Bürschgens nimmt dazu wie folgt Stellung: 

Einerseits wird Warmwasser üblicherweise nicht mit 70 °C sondern nur mit 60 °C bereitgestellt, von daher basieren eventuelle Berechnungen zu Einsparungen auf einer unzureichenden Datenlage, ebenso wie die benannten Energieverluste von „bis zu 10 % für die Zirkulation“. Zudem liegt der Anteil der Trinkwassererwärmung am Gesamtenergiebedarf bei max. 14 %, die erzielbare Gesamteinsparung wäre also also entspechend gering.

Eine Reduzierung des Volumenstroms durch Spar-Duschköpfe würde zu unzulässigen Stagnationsbedingungen in den Leitungen führen. Das ganz oder teilweise Abschalten der Zirkulation führt ebenso wie eine Absenkung der Trinkwassertemperatur zu hygienischen Gefährdungen.

Eine Betriebsweise mit abgesenkten Temperaturen kann zu einer Verkeimung des Systems mit Legionellen führen. Ein sporadisches Aufheizen zentraler Bereiche der Trinkwasser-Installation (sog. „Legionellenschaltungen), z.B. des Speichers oder des zirkulierenden Systems, hat nichts mit „Desinfektion“ zu tun und wäre hier sogar eher kontraproduktiv. Der Aufheizzyklus verbraucht enorme Mengen an Energie, die jedoch keinerlei hygienischen Nutzen bieten, da ja nicht-zirkulierende Leitungen, Einzelzuleitungen oder Verteilleitungen innerhalb von Wohnungen usw., von dieser automatischen Temperaturerhöhung gar nicht erfasst werden können.

Gleichzeitig steigt das Risiko für Verbrühungen während solcher Aufheizzeiten in der Nacht. Durch den immensen Temperaturstress altern Kunststoffmaterialien (nicht nur Dichtungen, auch Rohrleitungen etc.) und die Korrosion in metallenen Leitungen wird durch die Temperaturerhöhung noch verstärkt.

Die einschlägigen technischen Regelwerke sagen daher schon seit vielen Jahren „Bei einer periodischen temporären Temperaturerhöhung im Trinkwassererwärmer inklusive Zirkulationssystem (z. B. „Legionellenschaltung“ oder „Legionellenschleuse“) handelt es sich gemäß DVGW W 551 (A) und DVGW W 557 (A) um keine thermische Desinfektion. Eine solche Maßnahme ist daher nicht zielführend. Weiterhin kann sie zu einer Schädigung der eingebauten Produkte und Werkstoffe führen.“ (à DVGW W 556 (A):2015, Pkt. 5.5.3.2).

Herr Bürschgens hat die Verbraucherzentrale seinerseits kontaktiert, um Rückruf der Pressemitteilung gebeten und u.a. auf eine aktuelle Mitteilung von Peter Hauk, Baden-Württembergs Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz verwiesen. Klare Aussage aus dem Hause Hauk: Die Trinkwassertemperatur muss bei aller Energieeinsparung aus gesundheitlich/hygienischen Gründen tabu sein. "Eine inhaltlich gleichlautende Aussage wurde erst vor kurzem vom Umweltbundesamt getroffen: Trinkwasserhygiene, als Schutz vor schweren bakteriellen Infektionen, hat grundsätzlich Vorrang vor einer etwaigen Energieeinsparung!", so Bürschgens.

Die Verbraucherzentrale äußert sich per E-Mail zu den Einwänden mit der erneuten Aussage, das Legionellenrisiko in Trinkwasseranlagen ließe sich mit einer thermischen Desinfektion bei 70 °C mindern. Das Risiko von Legionelleninfektionen in Trinkwarmwasseranlagen sei im Hause bekannt.

"Die Empfehlungen richten sich auch ausdrücklich an Bewohner:innen von Eigenheimen, also Ein/Zweifamilienhäusern, in denen sich kleine Anlagen zur Trinkwarmwasserbereitung mit erheblich geringerem Legionellenrisiko befinden", heißt es dann mit Verweis auf Martin Brandis, der beim Bundesverband der Verbraucherzentralen VZBZ in der Arbeitsgruppe Energieberatung tätig ist. Es sei selbstverständlich, dass der Gesundheitsschutz berücksichtigt werden muss.

Bezüglich der Zielgruppe für die Energiesparempfehlungen ist jedoch in der ursprünglichen Pressemitteilung lediglich die Rede von "Eigentümer:innen".

Im Gespräch räumt Martin Brandis ein, dass die Formulierung "Eigentümer:innen" missverständlich sei, gemeint seien in der Tat Besitzer:innen von Ein- und Zweifamilienhäusern. Hier müsse künftig an der Kommunikation gearbeitet werden.

Das DVGW Blatt 551 treffe eine Unterscheidung zwischen großen Trinkwasseranlagen und kleinen bis zu 400 l, so Brandis. In Einfamilienhäusern mit Wasserspeichern in Größen 100 bis 200 l seien die 60 °C daher keine Verpflichtung, sondern eine Empfehlung. "Es gibt immer Risiken und Nebenwirkungen", sagt Brandis. "Jeder kann selbst entscheiden, ob er die Energiesparempfehlung der Verbraucherzentrale umsetzt oder nicht." Gerade im Einfamilienhaus sei zudem das größere Risiko nicht die Temperatur im Speicher, sondern die Stagnation in wenig genutzten Teilen des Systems.

Zu den weiteren Einwänden äußert er sich nicht. Die Verbraucherzentrale habe beim DVQST einen fachlichen Austausch angeregt.

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