Wirtschaft

Lieferengpässe treffen zurzeit jeden zweiten Mittelständler

Die derzeitigen Lieferengpässe verursachen derzeit insbesondere in der Bauindustrie und im verarbeitenden Gewerbe massive Probleme. Dies zeigt eine Umfrage der KfW.

Quelle: stock.adobe.com /U. J. Alexander
Quelle: stock.adobe.com /U. J. Alexander

Gegenwärtig kämpft knapp jedes zweite (48 %) der rund 3,8 Mio. kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland mit den Folgen von Lieferproblemen, wie eine im September durchgeführte Sonderbefragung von KfW Research im Rahmen des KfW Mittelstandspanels zeigt.
 
Besonders stark betroffen sind das Baugewerbe, wo sich 78 % der Unternehmen mit Materialknappheit auseinandersetzen müssen, und das mittelständische Verarbeitende Gewerbe – vier von fünf Unternehmen (78 %) beklagen hier Lieferengpässe.

Doch auch im Groß- und Einzelhandel sowie im Dienstleistungssektor, der grundsätzlich weniger stark von Vorleistungen abhängt, kämpfen kleine und mittleren Unternehmen mit Lieferengpässen.
 
Das liegt nicht zuletzt daran, dass derzeit eine Vielzahl von Materialien und Vorprodukten nicht in der nachgefragten Menge zur Verfügung steht. Schwierigkeiten gibt es nicht nur bei Mikroprozessoren, auch einfache Steuerungselemente fehlen, genauso wie Stahl, Aluminium, Kupfer und andere Metalle, Kunststoffe und Verpackungsmaterialien oder auch Holz für die Bau- und Möbelindustrie.

Ein wesentlicher Grund ist, dass viele Unternehmen in der Corona-Krise ihre Kapazitäten zurückgefahren haben und nun auf die wieder anspringende Nachfrage nur langsam reagieren können. Andere Ursachen wie Störungen im internationalen Frachtverkehr, die weiter anhaltenden Handelskonflikte oder einzelne Ereignisse wie die Waldbrände in Kalifornien spielen ebenfalls eine Rolle.
 
Die Lieferengpässe wirken sich unterschiedlich auf den Mittelstand aus.

  • Am häufigsten verzeichnen kleine und mittlere Unternehmen einen erhöhten Arbeitsaufwand in der Beschaffung (29 %).
  • Zu Beeinträchtigungen in der Produktion oder Dienstleistungserstellung wegen fehlender Rohstoffe oder Vorprodukte kommt es bei etwa jedem vierten Mittelständler (28 %). Das Verarbeitende Gewerbe leidet hierunter am stärksten (56 %).
  • Jedes vierte Unternehmen (26 %) sieht sich gezwungen, infolge gestiegener Preise für Rohstoffe und Vorprodukte die Preise für seine eigenen Produkte oder Dienstleistungen anzupassen. Am häufigsten kommt es zu Preiserhöhungen in der Baubranche (61 %).
  • Etwa 25 % aller Mittelständler sind gegenwärtig aufgrund der Engpässe im Lieferverzug gegenüber ihren Kunden. Jeder zehnte Mittelständler muss Aufträge sogar ablehnen, weil das benötigte Material fehlt. Insbesondere in der Bauindustrie, die Handwerksbetriebe vom Fensterbauer bis zu Dachdecker umfasst, ist dies ein Problem (21 %).
  • Zu Beschäftigungseinschnitten führen die Lieferengpässe bislang in erster Linie im Verarbeitenden Gewerbe. Hier hat nahezu jedes zehnte Unternehmen seine Beschäftigung zumindest temporär durch den Abbau von Überstunden, Urlaub oder auch das Instrument der Kurzarbeit reduziert.

Eine schnelle Auflösung der Lieferengpässe erwartet der Mittelstand nicht. Nur 5 % der betroffenen kleinen und mittleren Unternehmen gehen von einer Entspannung bis zum Jahresende 2021 aus. Der Großteil rechnet damit, dass die Schwierigkeiten noch ein halbes bis ganzes Jahr andauern. Fast jedes fünfte Unternehmen ist sogar überzeugt, dass sich die Situation frühestens in einem Jahr normalisiert haben wird.
 
„Die Lieferengpässe legen den kleinen und mittleren Unternehmen enorme Steine auf ihren Weg aus der Corona-Krise“, sagt Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW. „Am stärksten belasten sie das Verarbeitende Gewerbe und die Bauindustrie, aber auch der Handel und Dienstleister leiden. Das nimmt der gerade wieder angesprungenen Konjunktur ihren Schwung.“ Das Wirtschaftswachstum dürfe in den nächsten Monaten abflachen, werde aber weiterhin positiv ausfallen. „Bis sich die Lieferengpässe auflösen, dürfte es dauern. Ich gehe aber davon aus, dass sich die Materialknappheit im Laufe der kommenden Monate zumindest etwas entschärft. Nachholeffekte können dann im kommenden Jahr einen Impuls für einen neuen Wachstumsschub geben“, so Köhler-Geib.

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