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Mittelstand im Aufschwung

Infolge der deutlichen Entspannung der pandemischen Lage stehen die Zeichen im deutschen Mittelstand auf Aufschwung, wie das aktuelle KfW-ifo-Mittelstandsbarometer zeigt.

Im Bau gibt es keine Absatzprobleme, sondern eher Lieferengpässe. Bildquelle: stock.adobe.com/bnenin
Im Bau gibt es keine Absatzprobleme, sondern eher Lieferengpässe. Bildquelle: stock.adobe.com/bnenin

Das mittelständische Geschäftsklima macht weiteren Sprung nach oben

Das mittelständische Geschäftsklima steigt im Juni um kräftige 6,7 Zähler auf 12,3 Saldenpunkte. Getragen wird der Anstieg von beiden Geschäftsklimakomponenten: Die Lageurteile klettern um 10,7 Zähler auf 10,5 Saldenpunkte – das ist der zweithöchste jemals beobachtete Anstieg. Lediglich im Aufschwung nach der Finanzkrise gab es einmal noch etwas mehr Schub (April 2010: +11,5 Zähler). Auch ihre Geschäftserwartungen korrigieren die Mittelständler im Juni um 2,8 Zähler spürbar nach oben. Mit jetzt 13,8 Saldenpunkten sind kleinen und mittleren Unternehmen so optimistisch wie nie in den vergangenen gut zehn Jahren.

In den Großunternehmen zieht die Stimmung im Juni ebenfalls an, allerdings wie schon im April und Mai allein getrieben von besseren Urteilen zur aktuellen Geschäftslage (+3,7 Zähler auf 14,4 Saldenpunkte). Demgegenüber halten sich die Geschäftserwartungen der Großunternehmen lediglich knapp auf dem Stand des Vormonats (-0,9 Zähler auf 11,5 Saldenpunkten). Die anhaltende leichte Konsolidierung der Erwartungen auf einem gleichwohl weiterhin hohen und mit dem Mittelstand vergleichbaren Niveau deutet auf fortbestehende Knappheiten bei Vorleistungsgütern und Rohstoffen hin, weswegen die Produktion vor allem in den Industrieunternehmen und im Bau mit der wachsenden Nachfrage einstweilen nur unvollständig Schritt halten kann. Unter dem Strich ergibt sich für die Großunternehmen ein Plus von 1,4 Zählern beim Geschäftsklima auf jetzt 13,1 Saldenpunkte.

Der Blick in die einzelnen nach Wirtschaftsbereichen und Unternehmensgrößenklassen unterteilten Segmente zeigt, dass das Geschäftsklima nun überall positiv ist, also über dem von der Nulllinie repräsentierten langfristigen Durchschnitt liegt. Diejenigen Segmente, die von dem Abbau der coronabedingten Einschränkungen und der Rückkehr des sozialen Lebens am meisten profitieren, berichten die größten Anstiege im Vormonatsvergleich. Dies betrifft besonders ausgeprägt die mittelständischen Einzelhändler (+13,8 Zähler auf 17,8 Saldenpunkte) sowie die mittelständischen Dienstleister, die das Gros kontaktintensiver Dienstleistungsangebote aus Kultur, Unterhaltung, Gastgewerbe und den persönlichen Dienstleistungen ausmachen (+11,0 Zähler auf 8,6 Saldenpunkte).

Beschäftigungs- und Preiserwartungen deutlich im Plus
 
Abgerundet wird das gute Stimmungsbild im Juni von den spezifischen Erwartungen der Unternehmen zur Beschäftigungs- und Absatzpreisentwicklung. So steigen die Beschäftigungserwartungen der Mittelständler um 6,3 Zähler und erreichen mit 14,5 Saldenpunkten sogar ein neues Allzeithoch. Der kräftigste Beitrag zum Anstieg kommt von den Dienstleistern, die nach den weitgehenden Lockerungen der Pandemiemaßnahmen ihr Personal nun wieder aufstocken wollen. Die Beschäftigungserwartungen der Großunternehmen verbessern sich um 4,3 Zähler auf 7,9 Saldenpunkte. Die Absatzpreiserwartungen für die kommenden drei Monate steigen ebenfalls kräftig und erreichen in beiden Unternehmensgrößenklassen neue Rekordstände (Mittelständler: +6,6 Zähler auf 30,7 Saldenpunkte; Großunternehmen: +6,9 Zähler auf 28,1 Saldenpunkte). Die momentan starken kurzfristigen Preiserwartungen in der Breite der Unternehmen sind dabei vor allem eine Gegenbewegung zu der schwachen Preisentwicklung seit Ausbruch der Pandemie und kein Signal langfristiger Risiken für die Preisniveaustabilität.

„Alle Zeichen stehen auf Aufschwung – das ist die schöne Botschaft des KfW-ifo-Mittelstandsbarometers im Juni“, sagt Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW. „Allein schon beim Blick auf das Straßenbild wird klar, dass sich die Umsätze der meisten pandemiebetroffenen Dienstleister deutlich erhöht haben. Was viele Menschen während des langen Corona-Winters vermisst haben, holen sie jetzt nach.“ Dank der Ersparnisse aus den Zeiten des Lockdowns könne bei vielen das Geld nun lockerer sitzen.

Risiko Delta-Variante

Die Industrieunternehmen und der Bau haben ungeachtet des jüngsten Rücksetzers bei den industriellen Auftragseingängen im Mai schon länger keine nennenswerten Absatzprobleme, vielmehr ächzt es wegen Materialengpässen etwas im Getriebe. „Doch die Engpässe und der Post-Corona-Boom in der Industrie sind zwei Seiten einer Medaille. Bei allen Problemen durch die Materialknappheiten ist es hilfreich sich vor Augen zu führen, dass ein ausgeprägter Nachfrageüberhang vor einem Jahr als äußerst positives Szenario gegolten hätte. Deutschland darf sich nach konjunkturell schwierigem Beginn also auf einen Wachstumsschub im weiteren Jahresverlauf freuen.“ Entscheidend bleibe es allerdings, mit den wiedergewonnenen Freiheiten verantwortungsvoll umzugehen – auf Seiten des Staates aber auch für jeden einzelnen Menschen. Parallel müsse die Impfkampagne mit hohem Tempo weiter voranschreiten, gerade angesichts der immer mehr um sich greifenden sehr ansteckenden Delta-Variante des Virus.

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