Von Ingo Rauhut, Geschäftsführer VDI-Fachbeirat Beruf und Arbeitsmarkt
Dabei ist in den letzten Jahren eine strukturelle Verschiebung zwischen den einzelnen Studienfächern zu beobachten. So hat das klassische Ingenieurfach Maschinenbau/Verfahrenstechnik 2020 eine um knapp 22 % geringere Studierendenzahl im Vergleich zu 2014. Im gleichen Zeitraum nahm die Zahl der Studierenden in der Informatik um 26 % zu.
Bundesländer haben Regelstudienzeit wegen Corona erhöht
Die genauen Ursachen dieser Bewegungen sind schwer zu identifizieren. Man kann vermuten, dass der Anstieg in der Informatik in Teilen zu Lasten der klassischen Fächer geht. Zudem können Faktoren wie die Debatte um Nachhaltigkeit sich auf das Image einzelner Branchen auswirken, was sich dann auf die Studierendenzahlen auswirkt.
Eine kritische Entwicklung ist jedoch der Rückgang bei der Zahl der Absolvent*innen. Mit 71.469 Erstabsolventinnen und -absolventen haben 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum knapp 5.000 Studierende weniger ihren ersten (Bachelor-)Abschluss gemacht. Die Bundesländer haben auf die ungünstigen Bedingungen der Corona-Pandemie reagiert und die Regelstudienzeit erhöht.
Die Zahl der Studienanfänger*innen im 1. Fachsemester hat zwar ebenfalls um knapp 11.000 abgenommen, bewegt sich aber mit 228.000 immer noch auf einem hohen Niveau. Die Zahl der Studienanfängerinnen im 1. Fachsemester hat dabei weit weniger stark abgenommen als die der Studienanfänger, sodass der Anteil weiblicher Studierender in der Fächergruppe Ingenieurwissenschaften über alle Fächer eher zugenommen hat.
Hohes Ansehen und gute Qualität der Ingenieurausbildung in Deutschland
Das Interesse an der Ingenieurausbildung in Deutschland ist trotz Corona ungebrochen. Dies drückt sich in der steigenden Zahl der ausländischen Studierenden aus, die besonders in den Ingenieurwissenschaften an deutschen Hochschulen eine relevante Größe darstellt. So ist die Zahl der ausländischen Studierenden in der Fächergruppe Ingenieurwissenschaften seit 2013 kontinuierlich von knapp 67.000 auf knapp 137.000 im Jahr 2020 angestiegen. „Das ist ein Beleg für das hohe Ansehen und die Qualität der Ingenieurausbildung an deutschen Hochschulen“, kommentiert Dr. Thomas Kiefer, Referent für internationale Berufspolitik im VDI. „Nun gilt es vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und des demographischen Wandels, die hier ausgebildeten ausländischen Ingenieur*innen zum Verbleib in Deutschland zu bewegen. Dazu müssen wir unter anderem an unserer Willkommenskultur arbeiten.“
Der VDI analysiert die Gesamtentwicklung der Studierendenzahlen in den Ingenieurfächern seit vielen Jahren kontinuierlich. Die sich aus der Analyse ergebenden Fragestellungen bilden eine der Grundlagen für die Arbeit, die in den Expertengremien des VDI geleistet wird, zum Beispiel im Fachbeirat Ingenieurausbildung.